Content area
Full Text
Abstract
The article briefly examines two recent monographs on the biography of Muhammad and the genesis of the Qur'an by the Tunisian historian Hisham Djait. Both the general methodological assumptions of Djait's studies and representative examples of his approach are presented. It is argued that one of Djait's most significant insights consists in his recognition of the necessity of critically juxtaposing the Qur'anic text with later Islamic amplifications and narrative contextualizations. The article also discusses Djait's use of Western Qur'an scholarship and his romantically inspired portrayal of Muhammad as a religious genius.
Anders als etwa bei der Erforschung der arabischen Philosophie oder der arabischen Dichtung gebrauchen westliche Wissenschaftler, die an einer historisch-kritischen Koranlektüre interessiert sind, häufig keine arabische, persische oder türkische Sekundärliteratur; umgekehrt werden die entsprechenden Arbeiten westlicher Orientalisten in der islamischen Welt gelegentlich als missionarisch motivierte Propaganda dämonisiert. Als europäischer Koranwissenschaftler könnte man versuchen, diesen an sich bedauerlichen Sachverhalt damit zu erklären, dass eine 'innerislamische' Auseinandersetzung mit Koran und Prophetenbiographie eben auf der Grundlage anderer Prämissen und Methoden stattfinde als eine historisch-kritische 'Außenbetrachtung' und beide Diskurse einander deshalb ganz zwangsläufig wenig zu sagen hätten. Die folgenden Ausführungen sollen dafür werben, es sich mit einer solchen Inkommensurabilitätsthese nicht zu einfach zu machen, indem sie zwei 1999 und 2007 erschienene Bücher des tunesischen Historikers Hisham Djait (hochsprachlich Qu'ayyit) über die Biographie Muhammads vorstellen, die sich gewissermaßen auf der Grenzlinie zwischen beiden Diskursen bewegen und damit die Vorstellung von ihrer säuberlichen Abgrenzbarkeit in Frage stellen.
1. Biographisches
Es ist auffällig, dass gerade Tunesien in den letzten Jahrzehnten eine Reihe prominenter Intellektueller hervorgebracht hat, die für eine historische Kontextualisierung des Koran und der frühislamischen Geschichte plädieren: Neben Hisham Djait sind hier vor allem Mohammed Talbi2 und Abdelmajid Charfi3 zu nennen. Eine wichtige Voraussetzung für das Werk aller drei Denker ist sicherlich die kulturelle Frankophonie Nordafrikas, die einen unmittelbaren Zugang zu wissenschaftlichen und literarischen Werken in französischer Sprache gestattet (so haben alle drei längere Zeit in Frankreich studiert). Zugleich kommen reformistische bzw. historisch kontextualisierende Zugänge zum Islam in mancherlei Hinsicht der modernistischen Staatsideologie Tunesiens entgegen: Bereits unter Präsident Bourguiba gehörten die Modernisierung von Gesellschaftund Wirtschaftund die Emanzipation der Frau zur Staatsräson, und auch unter dem seit 1987 amtierenden Präsidenten Ben Ali ist es trotz personeller Diskontinuitäten bei dieser...