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Dietrich Klein, Hermann Samuel Reimarus (1694--1768). Das theologische Werk (Tübingen 2009, Mohr Siebeck, Beiträge zur historischen Theologie, Bd. 145, X + 310 S., geb. 3 89,00). [Die Münchener systematisch-theologische Dissertation geht von der Frage aus, warum eigentlich Reimarus ein »bekannter Unbekannter« sei (VII, S. 1--15, auch S. 169--200 und S. 262--266 zur Rezeptionsgeschichte), und erforscht diese bedeutende Stimme des sog. religionsphilosophischen Naturalismus durch eine sehr umsichtige Untersuchung der »Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes« (Mskr. 1750er/60er Jahre) (17--200) und des Erfolgsbuchs »Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion« (1754, 3. Aufl. 1766, 6. Aufl. 1791) (S. 201--266). Da Reimarus' Religionsphilosophie eine radikale Ablehnung der christlichen Kirche und ihres Lehrgrundes, der Bibel, zur Konsequenz hatte, wurde die »Schutzschrift« ein wuchtiges Werk der Bibelkritik, von dem dank Lessings Teilveröffentlichung von 1777 für das AT vor allem die pragmatische Analyse von Ex 12--14, eines für das Wunderargument in der Apologetik seit Grotius zentralen Textes, bekannt ist. Der Vf. skizziert das volle Spektrum an alttestamentlichen, oft in moralphilosophischem, aber antijüdischem Ton erörterten Themen und diskutiert Vorläufer, die Reimarus bekannt waren (vgl. bes. die Inhaltszusammenfassung, S. 69--88, und Kap. 2.4: Über die Macht des Betrugs -- die »Theokratie des Mose«, S. 107--133). Von seiner Bildungsreise nach Holland brachte Reimarus 1720 die Erinnerung mit, daß ihm J. Le Clerc (1657--1736) gesagt habe, »er kritisiere die Bibel nicht anders, als ob er den Aristophanes vor sich hätte« (S. 34), doch sollte ihn der Zusammenbruch der Philologia Sacra als Erschließung einer Offenbarungstradition auf Jahrzehnte hin in Atem halten. Für die Beschäftigung mit der Geschichte der biblischen Hermeneutik (vgl. dazu die Schlussbetrachtung, S. 267--279, bes. S. 268--271) liegt mit K.s Studie ein wichtiges, eloquent verfasstes Buch vor (Literaturverzeichnis und Register, S. 281--310; Archivquellen fallweise in den Anm.).] C. Bultmann, Erfurt