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Die bereits öfter dargestellte Überlieferungsgeschichte des Blaubart-Stoffs unter- scheidet inhaltlich vier für die Rezeption wichtige Ausprägungen1: (1) international die Perrault-Fassung (zuerst 1697)2 in volkssprachlichen Versionen, (2) von Per- rault beeinflußte Märchenbearbeitungen, (3) Theaterstücke und andere dramatische Bearbeitungen, die zum Teil bildliche Darstellungen beeinflussen, und (4) literari- sche Adaptationen. Im vorliegenden Beitrag interessieren zeitbedingte Wandlungen in der bildlichen Darstellung des Märchens und seiner Figuren ([1], [2], [3]) und die unterschiedlich verlaufende Nachwirkung in populären Medien3.
Das Märchen La Barbe Bleue ist unzweideutig als dramatisches Stück konzipiert. Die Handlung läßt sich zusammengefaßt so beschreiben:
1. Erfolgreiche Werbung um eine Schöne: (1.1) Ein reicher, aber häßlicher Mann mit einem blauen Bart möchte eine von zwei schönen Nachbarstöchtern einer angesehenen Familie heiraten, überläßt aber deren Mutter die Entscheidung. (1.2) Die Töchter reagieren zurückhaltend, weil sie von mehreren Heiraten wissen und nichts über das Schicksal dieser Frauen erfahren haben. (1.3) Großzügige Einladungen zu Spazier- gängen, Jagdausflügen und Tanzfesten lassen die jüngste Tochter ihre Vorbehalte vergessen. Sie willigt in die Heirat ein.
2. Gehorsamsprobe: (2.1) Der 'Blaubart' unternimmt eine mehrwöchige Reise, stellt seiner Frau frei, mit Freundinnen die Landhäuser zu bereisen und sich zu vergnügen, übergibt ihr sämtliche Schlüssel, verbietet ihr aber - ohne Begründung - das Öffnen eines Zimmers, sonst werde sie sein Zorn treffen. (2.2) Der Versuchung kann die Frau nicht widerstehen, öffnet den Raum und erblickt die Leichname einiger Frauen; der Schlüssel fällt ihr vor Schreck zu Boden in das geronnene Blut, und das Blut läßt sich davon nicht mehr abwaschen. (2.3) Bei Heimkehr des Mannes unterschlägt sie den blutigen Schlüssel und kann ihn auf mehrere Nachfragen zuerst nicht herbeibringen. (2.4) Als sie ihn schließlich vorzeigt, kündigt Blaubart ihr daraufhin die Tötung an.
3. Die Rettung: (3.1) Die Frau bittet um Aufschub für ein letztes Gebet, nutzt die Zeit, um ihre auch anwesende Schwester herbeizurufen und zu beauftragen, vom Turm aus um Hilfe zu rufen. (3.2) Nach mehrmaliger Aufforderung begibt sich die Frau zu ihrem unten wartenden Mann, der sie mittels eines Hirschfängers töten will. (3.3) Die zu Hilfe geeilten Brüder, ein Musketier und ein Dragoner, erreichen reitend das Haus des Blaubarts. (3.4) Buchstäblich im letzten Augenblick gelingt es ihnen, den Blaubart mit ihren Degen zu erdolchen. (3.5) Als einzige Erbin läßt die junge Witwe ihre Ge- schwister...