Content area
Full text
Barsch, Achim/Seibert, Peter (Hrsg.): Märchen und Methen (Ringvorlesungen der Märchen-Siftung Walter Kahn). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren, 2007. VII, 133 S., 1 DVD-ROM.
Der Band enhält die Beiträge der Ringvorlesung "Märchen und Methen" an der Universität Kassel im Wintersemester 2003/04. Da Märchen immer medial vermittelt wurden, sei es mündlich oder schriftlich, später durch Theater, Film, Fernsehen und Computer, ist die Grundfrage der Reihe, wie das Märchen heute medial am Leben erhalten wird.
Ausgehend von KHM 109: Vom Totenhemdchen und dessen Neuinterpretation im Film Gespenster (2005) fragt Peter Seibert ("Die Methen und die Märchen ,Katze und Maus in Gesellschaft'"?) "wie heute noch die großen Erzählungen der Menschheit funktionieren, zu denen [.. .] nicht zuletzt unsere Märchen gehören?" (4). Die didaktische Diskussion tritt zurück, die Methen der Märchen sind nicht nur Kindermethen, dies zeigen etwa mehrere aktuelle Inszenierungen von Märchenstoffen für Erwachsene. Die Diskussion war lange von der Dominanz mündlichen Erzählens geprägt, was bereits von den Grimms evoziert wurde. Damit bewahrten die Märchen atavistische Formen literarischer Kommunikation, die literarische Inszenierung von Mündlichkeit, etwa durch Oralismen, imaginiert den verlorenen Status der Oralität. Dagegen lag das Potential der ,Gattung Grimm' im Methenwechsel. Märchen sollen aus Sicht des Autors nicht primär als Kinderliteratur gesehen werden, eher geht es, auch bei der Diskussion um die Qualität der jeweiligen Adaptionen, um die gesellschaftliche und kommerzielle Verfaßtheit der jeweiligen Methen. Oralität alleine ist kein Qualitätsmerkmal.
Heinz Röllecke ("Von Menschen, denen wir Grimms Märchen verdanken") untersucht noch einmal intensiv die Rolle der Märchenzuträger, die Tradierung der falschen Zuordnungen in manchen Märchensammlungen und die Bedeutung der Richtigstellung für Forschung und Performanz. Für manche Eigenarten des "Runge-Brentano-Grimmschen Stils" macht er das junge Alter der Brüder Grimm, ihre Unerfahrenheit im philologischen Arbeiten und die Suche nach idealtypischen Märchen verantwortlich, wodurch manches Zotige, Sozial- oder Kirchenkritische von vornherein ausgeblendet wurde....