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Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) (Hrsg.) Darf's ein bisschen mehr sein? Vom Fleischverzehr und Fleischverzicht. Münster: LWL-Museumsamt für Westfalen 2015, 207 S., zahlr. Abb. ISBN 978-3-927204-80-5.
Das Thema Ernährung beschäftigt die Menschheit seit jeher, tagtäglich, und ganz im Sinne einer vom französischen Ethnologen Marcel Mauss einst formulierten „totalen sozialen Tatsache" verbinden Nahrungsproduktion und -konsumtion alle Bereiche des Soziallebens, vereint die Lebensmittelwirtschaft Individuen zu Gruppen, und die gemeinsame Tafel strukturiert deren Gemeinschaft. Eine vermutlich neue Qualität der Beschäftigung mit Essen erleben wir in der heutigen Zeit mit einem Ausmaß der medialen Thematisierung von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, ethischen, politischen oder kulturellen Fragen rund um die Ernährung. Fleisch im Speziellen erhält in dieser global geführten Debatte besondere Aufmerksamkeit. Gleichermaßen lässt sich auch in den Sozial- und Kulturwissenschaften seit der Jahrtausendwende eine starke Akzentuierung des Themas beobachten.
Im Ausstellungskatalog „Darf's ein bisschen mehr sein?", erschienen 2015 und herausgegeben vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sowie dem LWL-Museumsamt für Westfalen, wagen sich Expertinnen und Experten aus Biologie, Ethnologie, Theologie, Ernährungs- und Geschichtswissenschaften an das Thema Fleischkonsum, welches aktuell öffentlich und - wie uns dieser aufschlussreiche Sammelband lehrt - nicht erst seit kurzem hitzig debattiert wird. Angesichts der thematischen, historischen und geografischen Relevanz des Themas in Westfalen-Lippe war eine kritische Schau im Rahmen einer Wanderausstellung durch acht westfälische Museen zwischen März 2015 und Juli 2016, initiiert und durchgeführt von Verena Burhenne und dem LWL-Museumsamt in Münster, ein vielversprechendes Unterfangen.
Das Buch mit rosa Softcover-Einband behandelt in neun Beiträgen verschiedener Experten vier Themenfelder: öffentliche Debatte, Zucht und Haltung, Schlachtung und Verarbeitung, Konsum und Verzicht. Zusätzlich sind im letzten Teil Fotografien von Ausstellungsobjekten abgebildet. Eingeleitet wird der Band mit einem Grußwort der LWL-Kulturdezernentin und Leiterin des LWL-Museumsamtes für Westfalen.
Die Einführung der Volkskundlerin Verena Burhenne mit dem Titel „Darf's ein bisschen mehr sein?" empfängt die Leserschaft mit einer unappetitlichen Erinnerung an Fleischproduktionsskandale der jüngsten Vergangenheit und schlägt sogleich die Brücke zu den dafür verantwortlichen Mechanismen, welche die gigantischen Fleischmengen herstellen, die den heutigen hohen Verbrauch überhaupt zu produzieren erlauben.
In der öffentlichen Debatte, so Burhenne, werden Fleischproduktion und -konsum in einer Weise und einem Ausmaß problematisiert, dass die Nachfrage zum Politikum wird, welches Teile der westeuropäischen Bevölkerung in ihren alltäglichen Ernährungsentscheidungen beeinflusst. Im Interesse des besseren Verständnisses für die Faktoren, welche in der heute weit verbreiteten kritischen Einstellung...