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Wolfgang Wieland: Urteil und Gefühl. Kants Theorie der Urteilskraft. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001. 403 Seiten. ISBN 3-525-30137-5.
In dieser umfangreichen und anspruchsvollen Studie unternimmt Wolfgang Wieland den originellen Versuch, Kants "Kritik der ästhetischen Urteilskraft" nicht als Beitrag zu einer Theorie ästhetischer Werturteile oder zu einer Ästhetik (als einer Lehre vom Schönen) zu deuten, sondern vielmehr als einen Beitrag zur Urteilstheorie. Dabei erscheint dann das Geschmacksurteil nur noch als ein Musterbeispiel für eine bestimmte Art von Urteilen, nämlich den "ästhetischen", um deren Erhellung es Kant nach Wieland im ersten Teil der Dritten Kritik eigentlich geht. Kants eigentliche Leistung in der KU ist für Wieland dabei die Entdeckung und die Analyse eines "emotionalen Apriori der Urteilskraft": "Es ist ein Apriori, für das es kein Urteil gibt, in dem man es als eines seiner Elemente wiederfinden könnte, das aber die Genese von Urteilen aufzuhellen fähig ist." (23)
Wielands Studie ist weit gespannt, nämlich von den vorkritischen Schriften bis zum Opus postumum, und der Autor beweist nicht nur eine beeindruckende Kenntnis des Kantischen Werkes und einen souveränen Umgang mit ihm, sondern auch einen beachtlichen Scharfsinn bei der Ausdeutung der einschlägigen Textpassagen im Sinne seiner ungewöhnlichen Interpretation.
Das Buch ist in sieben Kapitel bzw. zwanzig Paragraphen gegliedert und stellt wegen der Kleinschrittigkeit der Interpretationen und Argumentationen sowie wegen der immer wieder eingestreuten Zusatzüberlegungen und Ergänzungen einige Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und auch an die Geduld des Lesers. Bei der Orientierung hilft jedoch ein ausführliches analytisches Inhaltverzeichnis, indem es den "roten Faden" der Argumentation in ubersichtlicher Form vorstellt.
Die in den einzelnen Kapiteln thematisierten Problemzusammenhänge sind die folgenden: Zunächst stellt Wieland heraus, dass man die Ausdrücke "Ästhetik" und "ästhetisch" nicht als Hinweise darauf missverstehen darf, dass es Kant in der "Kritik der ästhetischen Urteilskraft" um eine Lehre von Schönen oder um eine Theorie von dessen Beurteilung gehe. Vielmehr bemüht Wieland sich unter Bezugnahme auf den Wortgebrauch der Zeit und auch auf Kants eigene Verwendung dieser Ausdrücke in anderen Schriften, so etwa in der "Transzendentalen Ästhetik" der KrV, nachzuweisen, dass auch die Dritte Kritik in...