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Während im Nachbarland Haiti der Staat zerfällt, wächst in der Dominikanischen Republik die Wirtschaft. Außerdem geht Präsident Abinader hart gegen Einwanderung und Korruption vor. Nun ist er im Amt bestätigt worden.
Von Tjerk Brühwiller, São Paulo
Luis Abinader wird die Dominikanische Republik für vier weitere Jahre regieren. Der 56 Jahre alte Präsident von der linksliberalen "Modernen Revolutionären Partei" (PRM) hat bei der Präsidentenwahl am Sonntag erwartungsgemäß die Wiederwahl im ersten Wahlgang geschafft. Auf Abinader fielen nach bisherigen Auszählungen mehr als 57 Prozent, wie das Wahlamt am Montag nach der Auszählung fast aller Stimmen mitteilte. Der dreifache frühere Präsident Leonel Fernández landete mit gut 29 Prozent auf dem zweiten Platz.
Abinader zählt damit zum kleinen Kreis der lateinamerikanischen Präsidenten, denen eine Wiederwahl gelingt. Bei den zugleich stattfinden Parlamentswahlen dürfte Abinaders PRM nach bisherigen Auszählungen ebenfalls einen klaren Sieg erringen und gemeinsam mit den Bündnispartnern möglicherweise sogar eine Zweidrittelmehrheit erlangen.
Harte Hand gegen Einwanderung
Eines der dominierenden Themen im Wahlkampf war die Krise im benachbarten Haiti, mit dem sich die Dominikanische Republik die Karibikinsel Hispaniola teilt. Schon seit Jahren suchen krisengeplagte Haitianer Zuflucht im Nachbarland, wo sie oftmals schwarz oder zu sehr schlechten Konditionen arbeiten und kaum Rechte genießen. Die anhaltende Krise in Haiti, die sich durch den Zusammenbruch der Regierung und die Ausdehnung der Kontrolle durch die gewaltsamen Gangs weiter verschärft hat, hat in der Dominikanischen Republik eine Abwehrreaktion hervorgerufen.
Die Regierung von Abinader geht mit harter Hand gegen illegale Einwanderer vor. Die Zahl der Abschiebungen steigt von Jahr zu Jahr, von gut 150.000 im Jahr 2022 auf rund 250.000 im vergangenen Jahr. 2022 hat die Regierung zudem mit dem Bau einer 164 Kilometer langen Grenzmauer begonnen, um illegale Grenzüberquerungen zu verhindern. Die Einwanderungspolitik wird von Menschenrechtsorganisationen kritisiert, in der dominikanischen Bevölkerung bringt sie Abinader jedoch Punkte ein.
Die harte Hand in der Migrationspolitik allein erklärt aber nicht Abinaders Popularität, die bei rund 70 Prozent und damit unter den höchsten der Region liegt. Der einstige Unternehmer lässt sich nicht den traditionellen ideologischen Lagern zuordnen, sondern verfolgt seine wirtschaftsfreundliche Agenda. Der Karibikstaat profitiert von Freihandelszonen und vom Tourismus, was dem Land in den vergangenen beiden Jahrzehnten laut Daten der Weltbank ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich fast fünf Prozent beschert hat. Auch in diesem Jahr dürfte das Wachstum über fünf Prozent liegen.
Als Präsident ist es ihm gelungen, die Dominikanische Republik in den vergangenen vier Jahren trotz aller Widrigkeiten auf Wachstumskurs zu halten. Während der Pandemie setzte die Regierung auf eine aggressive Impfkampagne, was eine rasche Wiederöffnung des Tourismussektors ermöglichte. Gegen die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine gab die Zentralbank billige Kredite an kleine und mittlere Unternehmen aus.
Erfolgreicher Kampf gegen die Korruption
Auch sein Versprechen der Korruptionsbekämpfung konnte Abinader einhalten. Die Ernennung eines ehemaligen Obersten Richters zum Generalstaatsanwalt brachte eine unerwartete Dynamik in die Korruptionsbekämpfung, brachte dem Land hinterzogenes Geld zurück und machte Abinader glaubwürdig, während es seine politischen Gegner aus früheren Regierungen schwächte. Selbst internationale Organisationen erwähnen die Fortschritte der Dominikanischen Republik bei der Korruptionsbekämpfung in den höchsten Tönen.
Allerdings ist auch Abinader nicht vor einem gewissen Klientelismus gefeit. Der Regierungsapparat und die Zahl der öffentlichen Angestellten sind in den vergangenen vier Jahren markant gewachsen. Auch direkte Transferzahlungen an einkommensschwache Familien tragen zur Beliebtheit der Regierung bei. Abinader, der als Unternehmer im Bau- und Tourismussektor ein stattliches Vermögen angehäuft hat, spendet derweil sein Gehalt an Sozialprojekte.
Obwohl es der Dominikanischen Republik im regionalen Vergleich sehr gut geht und die Wirtschaft wächst, leben 40 Prozent der Bevölkerung laut Daten der Weltbank weiterhin in einer prekären wirtschaftlichen Situation. Die hohe Inflation der vergangenen beiden Jahren hat ihr Leben nicht erleichtert. Auch kämpft die Dominikanische Republik mit einem Anstieg der Kriminalitätsraten, was sich in einer offiziellen Umfrage Ende Dezember als größte Sorge der Bevölkerung entpuppte. Die Regierung hat daraufhin eine neue Sicherheitsstrategie eingeführt, deren Wirkung sich noch zeigen muss.
Auch die Krise im Nachbarland Haiti wird sich trotz Mauer und Abschiebungen nicht fernhalten lassen. In der Frage waren Abinader und seine Rivalen sich im Wahlkampf einig. Allesamt haben die internationale Gemeinschaft aufgefordert, zur Bewältigung der Krise beizutragen, und davor gewarnt, dass die Dominikanische Republik kaum noch in der Lage sei, weitere Migranten aus Haiti aufzunehmen.
F.A.Z.
Copyright Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH May 20, 2024