Keywords: Julya Rabinowich; refugee and migration literature; loss of homeland; loss of identity; child and youth literature; german contemporary literature; estrangement; development; role reversal; assumption of responsibility; consequences offight
In the young adult novel Dazwischen Ich by Julya Rabinowich, the arrival phase of the young protagonist Madina is explored. The loss of her homeland signifies not only a spatial separation for the protagonist but also personal development and change. At the core of this discussion is the central question of the impact of leaving one's homeland. What processes of alienation does the protagonist undergo due to her uprooting after the escape, and is it appropriate to speak of a loss of identity? Simultaneously, one can pose the question of whether a new identity formation takes place in the course of these experiences. To examine identity formation more closely, an attempt is made in the first part of this paper to define the terms identity, adolescence, and identity formation, in order to subsequently examine them through a detailed textual analysis. The selected work focuses on the portrayal of Madina, a 12-year-old girl of Muslim background who arrives in Germany with her family. The investigation reveals that Madina crystallizes a new identity through her efforts to acquire language quickly, adapt rapidly to new routines in the destination country, and desire to participate in the new culture. Her close friendship with Laura, a native girl, accelerates Madina's assimilation process and enhances the influence of peers in adolescence. Moreover, increased focus on her outward appearance as a Muslim teenager emphasizes age-appropriate priorities and contributes to the formation of her new identity. Madina experiences familial estrangement based on her rapid adaptation to the new culture and mentality of the destination country, particularly critically viewed by her father. He regards his daughter's changes and assimilation processes with concern, fearing the loss of traditional values and religious practices. Madina finds herself at a threshold between the process of arriving and detaching from the family, closely linked to the loss of her homeland, which represents a transitional space where she has the opportunity to redefine herself and form a new identity, influenced by the culture of the destination country. The positioning between worlds highlights the obstacles Madina must overcome after arrival, particularly during her accommodation phase and assuming adult responsibilities such as translations, discussions with authorities, and acting as a mediator for her parents and caregiver for her younger brother, due to the language barrier. The investigation also demonstrates that access to education contributes to a faster integration process for Madina, enabling her to accept the destination country as her new home. In contrast to her parents, Madina shows willingness to detach from her homeland, further contributing to the formation of a new identity. Finally, it is observed that due to her young age, the estrangement is more visible, but accommodation and integration progress more rapidly.
1. Jugend, Identität und Identitätsfindung auf der Flucht: theoretische und methodologische Aspekte
Im ersten Abschnitt dieses Beitrags wird zunächst im theoretischen Rahmen ein Versuch unternommen, die Begriffe Jugend, Identität und Identitätsbildung sowohl aus psychologischer als auch aus rechtlicher Perspektive zu definieren. Dies dient als Grundlage für eine eingehende Textanalyse, die anschließend durchgeführt wird, um folgender Fragestellung nachzugehen: Inwiefern beeinflusst der Verlust der Heimat die Identität der jungen Protagonistin im Jugendroman Dazwischen Ich, und welcher Zusammenhang besteht zwischen Heimatverlust und Identitätsverlust beziehungsweise Heimatgewinn und Identitätsbildung?
Die Jugendphase ist eine Zeit des Umbruchs, in der Jugendliche auf der Suche nach ihrer eigenen Identität sind. Während dieser Entwicklungsphase stehen sie vor einem Dilemma, da sie einerseits danach streben, die Rechte des Erwachsenscins zu erlangen, sich aber gleichzeitig noch mit den Pflichten und Regeln der Erwachsenenwelt auseinandersetzen müssen (Oerter 2008: 301).
Laut Oerter (ibidem·. 302 f.) kann die Identitätssuche in der Jugendphase auch von inneren Konflikten begleitet sein, da Jugendliche häufig mit sich selbst ringen und nach ihrer eigenen Identität suchen. Dies kann zu Unsicherheit, Selbstzweifeln und Verwirrung führen, während sie versuchen, ihre eigene Persönlichkeit und ihren Platz in der Welt zu verstehen.
Förtig (Förtig 2002: 3) deutet daraufhin, dass es zahlreiche Versuche gibt, die Jugendphase anhand des Alters zu definieren. Aufgrund des ständigen gesellschaftlichen Wandels ist dies jedoch heutzutage nahezu unmöglich. Im deutschen Jugendgerichtsgesetz (JGG) wird ein Jugendlicher juristisch gesehen als eine Person bezeichnet, „die vierzehn [...] aber noch nicht achtzehn [...] Jahre alt isť6, gemäß §1 Absatz 2.
Gemäß Förtig (ibidem: 3f.) wird ein Kind hingegen nach §176 Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB) als „eine Person unter vierzehn Jahren66 definiert. Die Autorin argumentiert jedoch, dass diese alleinige Festlegung anhand einer Altersgrenze unzureichend sei. Ein sinnvolleres Kriterium für das Ende der Jugendphase sei das Ablösen vom Elternhaus. Allerdings tritt dieses Ablösen heutzutage später auf als in der Vergangenheit aufgrund von längeren Ausbildungszeiten, die über das 18. Lebensjahr hinausgehen (ibidem: 3ff.)
Zum Ablösen gehört nicht nur die Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit, sondern auch die ökonomische Unabhängigkeit. Dieser Aspekt ist für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung, da in der Fluchtliteratur für Kinder und Jugendliche die Phase des Ablösens vom Elternhaus oft frühzeitig eintritt und sich dadurch direkt auf die Identitätsfindung auswirkt.
Laut Oerter (Oerter 2008: 302) handelt es sich bei Identität primär um eine einzigartige Kombination von persönlichen und unverwechselbaren Merkmalen einer Person, wie Name, Alter, Geschlecht und Beruf, die diese Person kennzeichnen und von anderen abgrenzen. Oerter (ibidem: 303) betont zudem das Bild, das die Mitmenschen von dieser Pcrsönlichkeitsstruktur haben. Insbesondere in der Jugendphase ist die Selbsterkenntnis, also das Wissen darüber, was einen charakterisiert, von großer Bedeutung für die Identitätsentwicklung. Psychologisch gesehen wird zwischen der „inneren Identität66, die das Selbstbild einer Person repräsentiert, und der „äußeren Identität66, die beinhaltet, wie das Umfeld die Persönlichkeit wahrnimmt und beurteilt, unterschieden.
Eriksons Theorie (Erikson 2013: 139f.) postuliert, die Entwicklung der Identität sei ein kontinuierlicher Prozess, der sich über das gesamte Leben erstreckt. Dennoch nimmt die Jugendphase in dieser Theorie eine herausragende Rolle ein, da sie als entscheidende Phase in diesem Prozess betrachtet wird. Im Rahmen von Ericksons theoretischem Ansatz wird die Jugendphase als Zeitraum definiert, der mit dem Beginn der Pubertät und der damit verbundenen physischen Veränderungen der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale einhergeht. Conzen (Conzen 2010: 148) weist darauf hin, dass die Suche nach Identität und Autonomie ein wichtiger Teil des Prozesses ist, der zu einem Gefühl von Zugehörigkeit und Selbstbewusstsein führt. Gleichzeitig sind die Jugendlichen auch mit Unsicherheiten und Selbstzweifeln konfrontiert, die sie dazu veranlassen, ihre Identität durch die Beziehung zu Gleichaltrigen und die Übernahme von radikalen Ideen und Verhaltensweisen zu finden.
Jugendliche werden sensibler für die Anerkennung ihrer Gleichaltrigen und können Selbstzweifel aufgrund ihres Aussehens entwickeln. Erikson (Erikson 2013: 124) betont, dass diese erhöhte Sensibilität auch zu einer Prüfung des inneren Selbst führt, da der Wunsch entsteht, neue Wege einzuschlagen. Oftmals geht dies mit einer Loslösung von der Familie und einer Hinwendung zur Peergroup einher. In diesem neuen sozialen Umfeld dreht sich vieles um das Erlangen von Anerkennung. Jugendliche müssen ihr Selbstbild mit den Erwartungen anderer vergleichen, Anerkennung gewinnen und ihren Status in der Gruppe verbessern. Durch diesen Prozess formen sie ihre „Ich-Identität".
Heranwachsende können laut Conzen (Conzen 2010: lOlf.) in dieser Phase radikale Meinungen vertreten und ein starkes Bedürfnis nach Totalität haben, um eine Identitätsdiffusion zu verhindern. Identitätsdiffusion ist durch starke Zweifel gekennzeichnet, wer man ist oder was man will. Um diese Zweifel zu überwinden, können Jugendliche sich in eine „negative Identität66 flüchten. Das bedeutet, dass sie sich in ihren Vorstellungen und Handlungen Personen und Ideologien annähern, die ihnen in der Kindheit als „böse66 oder „unmoralisch66 vermittelt wurden.
Abels et alii (Abels, Honig et alii 2008: 101) sind der Ansicht, dass Eriksons Ansatz für eine besondere Krise in jeder der Lebensphasen eines Individuums postuliert. In der Adoleszenzphase tritt demnach eine Krise auf, die sich auf Identität und Identitätsdiffusion bezieht. Erikson betrachtet die Auflösung dieser Krise am Ende der Adoleszenzphase als die Grundlage für eine spezifische Geisteshaltung, die „Ich-Qualität66 genannt wird und Schlüsse über die psychische Gesundheit einer Person zulässt. Diese Krise findet sich in jeder der acht Phasen des Lebenszyklus wieder und die Lösungen bauen aufeinander auf. Unter Berücksichtigung der Jugendphase stellt das positive, gesunde Konzept der „Ich-Qualität66 das Identitätsgefühl dar, während das negative Konzept der „Ich-Qualität66 mit der Identitätsdiffusion cinhcrgeht (ibidem·. 101f). In optimalen Bedingungen sollte sich am Ende der Adoleszenz eine positive „Ich-Qualität66 mit einer gefestigten „IchIdentität66 herausbilden, um in der nachfolgenden Lebensphase ein psycho-sozial gesundes Selbst aufbauen zu können (ibidem).
Im Unterschied zu Erikson fokussiert der soziologische Ansatz von Heiner Keupp (Keupp 2013: 82) zur Identitätsentwicklung auf die Vorstellung von Identität als einem kontinuierlichen Prozess, der von sozialen Veränderungen beeinflusst wird. Keupp betont, dass Identität kein statisches Konstrukt ist, sondern vielmehr dynamisch und sich im Laufe der Zeit verändernd, im Kontext von sozialen und kulturellen Einflüssen. Diese Betrachtungsweise hebt somit hervor, dass Identität nicht als ein in sich geschlossenes Individuum betrachtet werden sollte, sondern vielmehr als ein Ergebnis der Interaktionen zwischen dem Individuum und seiner Umgebung.
Im Gegensatz zu Eriksons Ansatz, welcher die Identitätsentwicklung auf die Adoleszenzzeit beschränkt, argumentiert Keupp (ibidem·. 34), dass dieser Prozess bis ins Erwachsenenalter andauert und nicht vollständig abgeschlossen ist. In Anlehnung an Erikson behält die Jugendphase eine entscheidende Rolle bei der Identitätsentwicklung, insbesondere aufgrund der Entstehung neuer Prozesse der Selbstfindung und Ablösung. Gemäß Keupp (ibidem·. 19), müssen auch Heranwachsende während dieser Phase spezifische Aufgaben bewältigen, wobei die Fähigkeit zur Selbstorganisation von vorrangiger Bedeutung ist, um das Gefühl der Kohärenz aufrechtzuerhalten. Die Anpassung zwischen der inneren und äußeren Welt bildet die äußere Dimension und trägt zur Anerkennung im sozialen Umfeld bei, was für Keupp (ibidem·. 19f), ein bedeutender Antrieb bei der Identitätskonstruktion darstellt.
Das erfolgreiche Bewältigen der inneren und äußeren Dimensionen und damit die Erreichung einer hohen „Ich-Qualität66 ist von psychischen, sozialen und materiellen Ressourcen abhängig. Hierin liegt ein aktuelles und zentral gesellschaftspolitisches Problem, denn die zunehmende materielle und soziale Ungleichheit führt zu einer Ungleichheit der Chancen bei der Gestaltung des Lebens und der Identitätsarbeit (ibidem·. 19ff).
Die Auswirkungen dieser Ungleichheit sind auch bei den Protagonisten in den untersuchten Werken deutlich spürbar. Die Selbstorganisation gestaltet sich umso schwieriger, da sowohl die äußere als auch die innere Dimension kaum zu bewältigen sind, da sie keine altersgerechten Aufgaben beinhalten. Die Protagonisten, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, verfügen weder über ausreichende finanzielle Ressourcen noch über das passende soziale Umfeld, um eine „qualitative Ich-Identität" oder eine positive Identität aufbauen zu können. In der fünften Stufe des Entwicklungsmodells von Erikson (Erickson 2013: 124), der Identitätsentwicklung, stehen Adoleszenten vor der Herausforderung, ihre Identität in Bezug auf ihre Interessen, Fähigkeiten und Werte zu definieren. Wenn sie diese Krise erfolgreich bewältigen, entwickeln sie ein klares Verständnis von sich selbst und ihren Zukunftsplänen. Wenn sie es nicht schaffen, können sic sich in Identitätsdiffusion verlieren, was zu Verwirrung, Unsicherheit und Identitätskrisen führen kann.
Die Identitätsentwicklung in der Adoleszenz kann nicht isoliert von ihrem sozialen Kontext betrachtet werden so Oerter (Oerter 2008: 189f). Das Individuum befindet sich kontinuierlich in Beziehungen zu anderen Personen, deren Einfluss auf die Entfaltung seiner Identität nicht zu unterschätzen ist. Innerhalb dieses Kontextes spielt die Familie als primärer Ort der Sozialisation eine bedeutende Rolle. Insbesondere in der Adoleszenz sollte auch die Peergruppe nicht vernachlässigt werden, da sie zunehmend an Bedeutung als identitätsstiftende Instanz gewinnt und einen Einfluss auf die Interessen der Heranwachsenden ausübt. Gleichaltrige dienen als wichtige Stütze im Prozess der Loslösung von der Familie und stellen neue Bezugspersonen dar, die die Familie zwar nicht ersetzen, jedoch ergänzen sollten.
Sowohl Keupp als auch Erikson schreiben der Peergruppe die Aufgabe der Stabilisierung und Orientierung zu (ibidem·. 189ff). Die Jugendphase wird von beiden Theoretikern als eine Art Zwischenraum zwischen Kindheit und Erwachsensein betrachtet, in der sich Heranwachsende mit der Aufgabe der Selbstfindung und Reflexion auseinandersetzen müssen.
Die Institution Schule, als Wegbereiter für den Übergang ins Erwachsenenalter, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Identitätsentwicklung. Insbesondere für Jugendliche mit Migrationshintergrund übernimmt die Schule eine Integrationsfunktion. Hier müssen die Schülerinnen und Schüler sich an schulische Regeln und die Rollenübernahme, beispielsweise die des Lehrers und des Schülers, anpassen. Im schulischen Umfeld erfahren Heranwachsende zum ersten Mal, dass konformes Verhalten belohnt und abweichendes Verhalten bestraft wird. Die hierarchische Ordnung, die in der Schule herrscht, wirkt sich somit auf die Identitätsentwicklung und das Anpassungsvermögen der Schülerinnen und Schüler aus (ibidem).
Um die Schritte der Textanalyse nachvollziehbar zu erläutern, stellt sich die Frage, welche Herausforderungen bei der Identitätsbildung von Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter zu berücksichtigen sind.
Gemäß Rössel-Cunovic (Rössel-Cunovic 2008: 4) können sich hierbei aus den Erfahrungen der Flucht und Migration diverse Probleme ergeben, beispielsweise der Verlust der Heimat, die Trennung von Familienangehörigen oder die Notwendigkeit, sich in einer neuen kulturellen Umgebung zu orientieren. Soziale Faktoren wie Diskriminierung und Vorurteile können ebenso eine Rolle spielen und sich negativ auf den Prozess der Identitätsentwicklung auswirken. Rössel-Cunovic (ibidem'. 4f.) macht darauf aufmerksam, dass auch der Erwerb einer neuen Sprache und die damit verbundene Mehrsprachigkeit Schwierigkeiten aufwerfen können. Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen kulturellen Identitäten und die Suche nach einer eigenen Identität kann zu inneren Konflikten führen und ein Gefühl der Entwurzelung auslösen. Insgesamt können diese Faktoren dazu beitragen, dass Flüchtlingskinder und -jugendliche Probleme haben, eine stabile Identität zu entwickeln und sich in ihrer Umwelt zurechtzufinden.
Die Identitätsentwicklung bei Flüchtlingen im Jugendalter kann durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt werden, die mit ihrer Erfahrung als Flüchtlinge und der Herausforderung, sich in eine neue Kultur und Gesellschaft zu integrieren, Zusammenhängen.
Laut Rössel-Cunovic (ibidem) lassen sich folgende Probleme, die Flüchtlinge im Jugendalter bei der Identitätsentwicklung erfahren können, festhaltcn: Einerseits können Flüchtlinge im Jugendalter Schwierigkeiten haben, ihre kulturelle Identität aufrechtzuerhalten, da sie sich zwischen den kulturellen Werten und Normen ihrer Herkunftskultur und den Werten und Normen der Kultur, in der sie leben, zerrissen fühlen können. Sie können Schwierigkeiten haben, sich in beiden Kulturen zurechtzufinden, was zu Identitätskonflikten führen kann.
Außerdem können Flüchtlinge im Jugendalter Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihrer Herkunft und Flüchtlingsstatus machen, was ihre Identität und ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigen können. Sie können sich ausgegrenzt und unverstanden fühlen, was zu Identitätsproblemen führen kann. Zusätzlich können Flüchtlinge im Jugendalter Schwierigkeiten haben, sich aufgrund von Sprachbarrieren in der neuen Kultur zurechtzufinden und sich auszudrücken.
Des Weiteren können Flüchtlinge im Jugendalter traumatische Erfahrungen gemacht haben, die zu psychischen Belastungen führen und ihre Identitätsentwicklung beeinträchtigen können. Flüchtlinge im Jugendalter müssen sich in eine neue Kultur und Gesellschaft integrieren, was eine Herausforderung darstellen kann. Sie müssen sich neuen Normen und Werten anpassen und ihre Identität in der neuen Umgebung neu definieren, aufgrund des Akkulturationsprozesses. Dies kann zu Konflikten und Identitätsproblemen führen (ibidem·. 4ff).
Schlussfolgernd um die Identitätsentwicklung von Flüchtlingen im Jugendalter zu begünstigen, bedarf es einer Unterstützung und Bereitstellung von Ressourcen, die eine erleichterte soziale und emotionale Anpassung ermöglichen. Hierzu zählen beispielsweise Zugang zu Bildung, Sprachkursen, kulturellen Aktivitäten sowie psychologischer Unterstützung. Darüber hinaus ist es essentiell, eine sichere und unterstützende Umgebung zu schaffen, in der jugendliche Flüchtlinge ihre kulturelle Identität bewahren und ihre sozialen Fähigkeiten ausbilden können.
2. Madinas Entfremdung in Dazwischen Ich von Julya Rabinowich
Julya Rabinowich wurde 1970 in St. Petersburg geboren. Im Alter von sieben Jahren emigrierte sie nach Wien (vgl. Rabinowich 2016b). Die Autorin beschreibt eine Erfahrung, die sie selbst als „entwurzelnd" und „umtopfen" empfand. Sie absolvierte ein Dolmetschstudium an der Universität Wien bis 1966. Im Jahr 2008 veröffentlichte sie ihren Debütroman Spaltkopf. Für ihr ausgewähltes Buch Dazwischen Ich, das 2016 veröffentlicht wurde, erhielt die Autorin den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2017. Darüber hinaus wurde sie 2018 für dieses Werk mit dem Gestärker-Preis für Jugendliteratur ausgezeichnet (ibidem).
Im zu analysierenden Roman wird aus der Ich-Perspektive im Tagcbuchstil die postmigratorische Situation der 12-jährigen Madina geschildert, einschließlich ihrer Akkommodations-, Assimilierungs-, Akkulturations- und Integrationsprozcssc. Dabei berichtet die Protagonistin über die herausfordernden Lebensumstände in der Flüchtlingsuntcrkunft, während ihre Familie auf den Asylbescheid wartet. Neben der Ungewissheit über die Zukunft im Ankunftsland offenbaren sich auch Generationskonflikte. Während Madina durch den Schulbesuch die Sprachbarriere und den Kulturschock überwindet und sich zunehmend an die neue Kultur anpasst, fürchtet der Vater den Verlust traditioneller Werte und religiöser Praktiken. Er betrachtet die Anpassung der Tochter an das neue Umfeld als befremdlich und bezeichnet die aufkommende Distanz in der Vater-Tochter-Beziehung als „Verlust". Madinas rasche Akkommodation und Integration in Deutschland bringen auch eine Reihe von Verpflichtungen und Verantwortungsbereichen mit sich, die für ihr Alter nicht angemessen sind und sie oft belasten. Trotz der vielen Entfremdungsprozesse, die die Protagonistin nach ihrer Ankunft durchlaufen muss, betrachtet sie das Ankunftsland als ihre neue Heimat. Es wird deutlich, dass die postmigratorische Situation für die Eltern wesentlich träger und umständlicher verläuft als für die Jugendlichen, jedoch beeinflusst der Integrationsprozess die Identitätsbildung der jungen Madina stärker als die der Eltern.
Im vorliegenden Roman kann eine Verbindung zwischen der neuen Heimat und dem Erwachsenenalter hergestellt werden. Durch den Gewinn einer neuen Heimat eröffnen sich einerseits Möglichkeiten für eine neue Identitätsbildung. Andererseits durchläuft die junge Frau gleichzeitig einen Prozess der Entfremdung. Im Verlauf der Handlung nimmt dieser Prozess der Entfremdung immer stärker an Bedeutung zu.
Und anfangs schämte ich mich. Die Tür des Auffanglagers. Das erste Essen. Der erste Arztbesuch. Die Ankunft hier in unserer Pension. Die Schule die ersten deutschen Worte. Glücklich waren wir alle. Ich wollte alles über das Leben hier begreifen, und je mehr ich begriff, desto mehr veränderte sich. Aus der Freude über das Neue wurde Angst vor der Zukunft bei Mama und bei Papa. Bei mir nicht. Es fühlt sich an wie Zukunft hier (Rabinowich 2016a: 90).
Durch die vorliegende Textstelle lässt sich erkennen, dass bei Jugendlichen eine Bewusstwerdung ihres Fortschritts in der neuen Heimat erfolgt, was allmählich zu ersten Unterschieden im Vergleich zu Erwachsenen und der eigenen Familie führt. Diese Unterschiede in Bezug auf die Anpassung an die neue Heimat übertragen der jungen Frau die Verantwortung für ihre Eltern. Demzufolge kommt es zu einem Rollentausch, bei dem die Jugendlichen plötzlich die Verantwortung für ihre Eltern übernehmen müssen, da diese aufgrund sprachlicher Barrieren oft hilflos sind.
Mama würde sich so etwas nur ein einziges Mal gönnen, dieses ruhige gönnen, dieses ruhige Tun, nur für sich selbst. Dann wäre ich zufriedener. Dann würde ich wissen, ich muss nicht auf sie aufpassen. Weil sie es selber kann (ibidem·. 93).
Mithilfe folgender Textstelle wird deutlich, dass sich die Protagonistin der äußeren Unterschiede gegenüber den anderen bewusst ist.
Ich ertappe mich dabei, wie ich meine Mutter dafür kurz hasse. Dabei ist meine Haut nicht anders als ihre. Unsere fremden Häute verraten uns. Manchmal würde ich sie uns gerne abzichcn. Wie unsere ganze Vorgeschichte. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre hier geboren und würde nichts anderes kennen (ibidem·. 89).
Im vorherigen Textabschnitt wird einerseits deutlich, dass die junge Frau altersgemäß mehr Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild legt. Andererseits führt die Abweichung von der Norm im Vergleich zu Gleichaltrigen zu einem Gefühl der Minderwertigkeit. Die Protagonistin hat eine verfälschte Sclbstwahrnehmung, wie durch den Gebrauch des Adjektivs „fremd" verdeutlicht wird. Das Verb „verraten" deutet möglicherweise daraufhin, dass es sich zunächst um eine getarnte Anpassung handelt, die dazu führt, dass sich die Protagonistin in ihrer eigenen Haut fremd fühlt. Die Protagonistin stellt sich oft vor aus ihrer Realität zu flüchten, indem sie sich des Öfteren vorstellt mit ihrer besten Freundin zu tauschen. Dies kann man ebenfalls als ein Entfremdungsmechanismus bewerten:
Wie oft in den letzten Tagen wünsche ich mir, mit Laura zu tauschen. Einfach sie zu sein. Ihre Familie zu haben, ihr Haus, ihre Vergangenheit. Aber ich weiß, dass das nicht geht ibidem·. 228).
Während die Protagonistin um eine neue Identitätsbildung bemüht ist, leiden die Eltern unter einem Identitätsverlust und beängstigt vor jeglichen Veränderungen, erschweren die Erwachsenen die Integration der Tochter:
Wer wird sie doch heiraten wollen? Dieses macht uns kaputt. Du vergisst alles, was war. Du vergisst, was sich für uns gehört. Das wird böse enden (ibidem·. 187).
Während der Vater sich weigert mit der Sachberaterin zu kommunizieren und einen männlichen Sachberater verlangt, erklärt ihm die Protagonistin: „Das macht man hier nicht so!" (ibidem·. 193). Daraufhin äußert der Vater: „Sie haben dich gestohlen!" (ibidem·. 194). Diese Textstelle bezeugt die Entfremdung der Tochter gegenüber dem Vater, der sie bereits als verloren ansieht. Madina leidet infolge der Flucht unter den Verlust ihrer Vertrauens- und Bindungsperson, ihrer Oma, aus der Heimat:
Oma hätte bestimmt gewusst, was ich machen soll. Oma hätte gewusst, wie sie mit Papa reden soll. Und mit Rami. Ich wünsche sie mir so sehr hierher, dass es mir die Luft zum Atmen nimmt. Kein Jugendlicher hängt so an seiner Oma wie ich (ibidem·. 212).
Mit der obigen Aussage offenbart die junge Frau ihr enges Verhältnis zu der Großmutter aber zugleich signalisiert sie dem Leser ihren Status einer Jugendlichen, indem sie sich mit anderen Gleichaltrigen vergleicht. Der Vergleich mit Gleichaltrigen lässt darauf schließen, dass die junge Frau einen Entfremdungsprozess durchläuft. Sie setzt sich bewusst mit ihrer persönlichen Entwicklung und dem Fortschritt ihrer Integration im neuen Land auseinander, indem sie sich mit anderen vergleicht.
Im vorliegenden Roman findet der Entfremdungsprozess auf mehreren Ebenen statt. Die Protagonistin erfährt eine Selbstentfremdung, die aufgrund der raschen Anpassung relativ früh erkennbar wird. Allerdings führt diese Selbstentfremdung auch zu einer Entfremdung innerhalb ihrer Familie, was eine belastende Wirkung auf die Protagonistin hat: „Manchmal hat Papa Angst, dass ich ihm so fremd werde, wie das Land, das ihm jetzt umgibt" (ibidem·. 29).
Die bürokratischen Abläufe stellen einen weiteren Auslöser für die Entfremdung dar. Aufgrund fehlender Unterlagen wird die Ich- Erzählerin dazu gebracht, sowohl seine Existenz als auch seinen Ursprung in Frage zu stellen:
Sie fragen ihn, - also mich, weil ich übersetze - warum er nicht beweisen kann, dass ich seine Tochter bin. Vielleicht bin ich ja jemand anderer (ibidem'. 31).
Madina erkennt, dass alles Bekannte schöner und vertrauter wirkt, während das fremde Land mit den unbekannten Menschen eher unangenehm und beängstigend erscheint: „Ich finde meine Mama viel hübscher. Aber das hilft nichts. Leute, die einem nahestehen, sehen einfach schöner aus als fremde" (ibidem·. 44). Diese Aussage, die zu Beginn des Romans getroffen wird, zeigt, dass Madina bis zu diesem Zeitpunkt ihre Umgebung immer noch als fremd empfindet.
Hinsichtlich der Verwaltungsabläufe manifestiert sich für die Protagonistin gleichermaßen eine Unbekanntheit. Unabhängig von ihrer individuellen Geschichte oder der Dringlichkeit ihres Anliegens werden alle Personen nach ihrer Wartenummer behandelt. Bedauerlicherweise erfährt jeder Flüchtling eine gleichförmige Behandlung, indem sie anfänglich als bloße Nummern betrachtet werden, ohne dass ihre individuellen Identitäten Berücksichtigung finden (vgl. Wiesinger 2018).
Die Gebäude, die besser ausgerüstet sind, haben Nummern, die man aus einem Automaten ziehen kann. Jeder hat einen Zettel mit einer Nummer drauf in der Hand. Jede Nummer wird irgendwann aufgerufen. Irgendwann (Rabinowich 2016a: 52).
Eine solche Wahrnehmung kann dazu führen, dass sich eine Identitätslosigkeit manifestiert.
Ein weiterer Hinweis der Entfremdung ist folgende Aussage der Protagonistin:
Manchmal denke ich, ich werde nie wieder so, wie ich mal war. Aber dann frag ich mich, wie war ich denn. Kann mich manchmal gar nicht mehr daran erinnern (ibidem·. 60).
Es wird offenkundig, dass Madina sich ihrer Veränderungen bewusstwird. Diese Veränderungen werden sowohl durch ihr neues Umfeld als auch durch den Einfluss der Adolcszenzphasc verstärkt. Das neue Umfeld und die neue Freundschaft mit Laura bringen Madina dazu, sich ein Selbstbild zu erschaffen, da sie sich nun mit ihren körperlichen Veränderungen beschäftig, was innerhalb der Familie nicht ausgesprochen werden kann:
Und dann habe ich mich im Spiegel betrachtet. Und mich angesehen. Versucht, mich zu erinnern, wie ich vorher war. Als Kind. Ich sah so verändert aus. Und auch ein bisschen haarig. Wie eine Erwachsene. [...] Weiß noch nicht, ob ich das mag. Konnte den Blick nicht loslassen von dieser Madina (ibidem'. 83).
Die Textstelle deutet darauf hin, dass Madina sich mit der Entfremdung in ihrem neuen Land auseinandersetzt. Indem sie sich im Spiegel betrachtet, versucht sie sich an ihr früheres Ich zu erinnern, als sie noch ein Kind war. Sie erkennt, dass sie sich stark verändert hat und nun erwachsener wirkt, sogar ein wenig behaart. Dabei zeigt sich eine gewisse Unsicherheit und Ambivalenz, ob sie diese Veränderungen mag oder nicht. Ihr Blick bleibt gebannt auf dem Spiegelbild von Madina, was darauf hindeutet, dass sie sich mit ihrer Identität und den damit verbundenen Veränderungen intensiv auseinandersetzt. Bemerkenswert ist auch, dass die Ich-Erzählerin sich selbst als „fremd66 bezeichnet.
Die Prioritäten der jungen Frau ändern sich, Freundschaften und die peers gewinnen immer mehr an Bedeutung. Typisch für die Adoleszenz ist, wie Wiesinger (Wiesinger 2018: 3f.) die Selbstwahrnehmung der eigenen Stärken, aber auch der Wunsch als Erwachsener wahrgenommen zu werden:
Ich will ihr erzählen, dass ich eine Freundin gefunden habe, eine richtige Freundin. Ich will ihr [der Oma] erzählen, dass ich fast schon so erwachsen bin wie sie, weil andere gut trösten kann. Und dass ich stolz darauf bin, wenn ich die Nerven behalte in bestimmten Situationen (Rabinowich 2016a : 222).
Des Weiteren äußert Madina im selben Kapitel den Wunsch, die Röcke leid zu sein und stattdessen eine Hose mit einem Riss am Knie wie Laura tragen zu wollen (ibidem·. 81). Allerdings wird ihr dieser Wunsch von ihrem Vater nicht erlaubt. Madina befindet sich in einer Phase der Selbstentfaltung, die insbesondere durch den Vergleich mit Gleichaltrigen in ihrem neuen Umfeld ihren Wunsch nach Freiheit verstärkt. Dadurch kann sich die angestrebte Veränderung oft als Entfremdung von sich selbst manifestieren: „Und dann immer dieses Gefühl, als einzige nicht zu genügen. [...] Und es ist erst hart, das zu wissen. Ich werde nie sein, wie die66 (ibidem·. 87)/ Im Verlauf der Handlung wird deutlich, dass die Entfremdung umso intensiver wird, je schneller sich Madina an ihre neue Heimat und deren Mentalität anpasst. Allerdings betrachtet Madina im Gegensatz zu ihren Eltern die Entfremdung als positiv:
Weil verdammt noch mal, weil unser Leben sich einfach ändert. Und wir froh waren, als es sich zu ändern begann. Weil es uns gerettet hat, alles, was sich änderte (ibidem·. 90).
Die junge Frau wird in ihrer Heimat jedoch auch mit einer Vielzahl von Verantwortlichkeiten konfrontiert, wie beispielsweise der Rolle als Übersetzerin und der Notwendigkeit, mit den Behörden zu kommunizieren. Dadurch muss sie oft auf altersgerechte Aktivitäten wie den Kinobesuch verzichten. Häufig fühlt sie sich überfordert und erschöpft und sehnt sich danach, loslassen zu können: „Manchmal wäre es schön, wenn ich mich nur kurz so gehen lassen könnte wie sie [Laura]66 {ibidem·. 102).
Im engen Zusammenhang mit dem Entfremdungsprozess geht einerseits das Loslassen der alten Identität einher und andererseits die Bildung einer neuen Identität. Wie bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit beschrieben wurde, erfolgt die Identitätsbildung durch kontinuierliche Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt sowie deren Wahrnehmung und Verständnis. Die Bereitschaft zur Entwicklung einer neuen Identität wird durch folgende Textstelle verdeutlicht:
Karfreitag, Gedenktage. Schweigeminuten. Ich habe hier viele dieser besonderen Tage nicht als solche erkannt und mich manchmal danebenbenommen, nicht fröhlich genug, nicht traurig genug, nicht ernst genug. Nicht genug wissend, um das Spiel mitzumachen {ibidem·. 115).
Es bleibt jedoch ungewiss, ob Madina alles nur vorgibt, um von Gleichaltrigen akzeptiert zu werden, oder ob sic dies aus Überzeugung tut und es als Zeichen ihrer Anpassung an die neue Mentalität betrachtet. Die Identitätsbildung in der neuen Heimat ist von Angst geprägt. Oft fühlt sich Madina trotz der neuen und sicheren Umgebung hilflos und einsam: „Ich kenne diese Angst. Ich kenne das Gefühl: Man ist nackt im Schnee, ganz wehrlos66 {ibidem·. 219). Die Protagonistin befindet sich in einer ambivalenten Situation auf ihrem Integrationsweg in ihrem neuen Land. Einerseits hegt sie den Wunsch, sich in das neue Land zu integrieren und erkennt, dass dies die Bereitschaft erfordert, eine neue Denkweise anzunehmen und eine neue Identität zu formen. Dabei besteht jedoch das Problem, dass diese neue Identität zu ihrer Entfremdung führt, die von ihren Eltern nicht akzeptiert wird. Madinas Selbstentfremdung bringt sie in einen Zwiespalt zwischen der Vermittlung zwischen Familie und Behörden, zwischen der neuen Heimat und der alten, sowie zwischen ihrer früheren Identität und der Übernahme einer neuen Identität:
Wir standen da, auf der einen Seite Mama und Papa, auf der anderen Lauras Mutter, in der Mitte ich und der Plastiksack. Ich schon wieder zwischen allem. Das war seltsam. Als ob die eine Welt von mir die andere Welt von mir plötzlich berührt {ibidem·. 139).
Die „Entwurzelung66, wie die Autorin es selbst auf ihrer Webseite beschrieben hat, führt bei der Protagonistin zu einer inneren Zerrissenheit. Dieses „Dazwischen66 wird bereits durch den Titel des Werks signalisiert und kann als Leitmotiv des Werks verstanden werden.
Der Roman endet mit einem offenen Ende, was dem Leser keine definitive Antwort darauf gibt, ob die Protagonistin erfolgreich in der Bildung einer neuen Identität und im Gewinnen einer neuen Heimat ist. Der Roman endet zu dem Zeitpunkt, an dem Madina noch von Identitätsdiffusion geprägt ist.
3. Fazit
Zusammenfassend kann man feststellen, dass Madinas Entfremdung ein zentraler Aspekt des Romans ist, der von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Die Rolle der Eltern spielt dabei eine bedeutende Rolle. Sie repräsentieren eine konservativere Haltung und sind weniger bereit, die neue Identitätsbildung und Anpassung ihrer Tochter zu akzeptieren. Dies führt zu einem Konflikt zwischen Madina und ihren Eltern, der ihre Entfremdung weiter verstärkt. Das Thema Heimatgewinn und Heimatverlust spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. In diesem Prozess verliert sie nicht nur ihre vertraute Umgebung, sondern auch ihre bisherige Identität. Die Auseinandersetzung mit der neuen Heimat und deren Erwartungen sowie die Suche nach einer neuen Identität stellen eine große Herausforderung für Madina dar. Die Auswirkungen dieser Entfremdung und des Heimatverlusts auf die Protagonistin sind vielfältig. Madina befindet sich in einem Zustand der inneren Zerrissenheit und Unsicherheit. Sie ist gezwungen, zwischen verschiedenen Identitäten und Zugehörigkeiten zu navigieren, was zu Konfusion und Identitätsdiffusion führt. Ihre Suche nach Akzeptanz und Integration in der neuen Gesellschaft wird durch die ablehnende Haltung ihrer Eltern erschwert, was ihre Entfremdung weiter verstärkt.
Insgesamt zeigt der Roman eindrücklich, wie die Entfremdung einer jungen Protagonistin in einem neuen Land stattfinden kann. Dabei werden die Konflikte mit den Eltern, das Thema Heimatgewinn und Heimatvcrlust sowie die Auswirkungen auf die Identitätsbildung und das Wohlbefinden der Hauptfigur gekonnt dargestellt. Der Roman regt zum Nachdenken über Themen wie kulturelle Anpassung, Selbstfindung und den Einfluss der familiären und gesellschaftlichen Umgebung auf die individuelle Identität an.
Literatur
Abels, Honig und Ansgar 2008: Heinz Abels, Michael-Sebastian Honig, Weymann Ansgar, Lebensphasen: Eine Einführung, Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Conzen 2010: Peter Conzen, Erik H. Erikson: Grundpositionen seines Werkes, Stuttgart, Kohlhammer.
Erikson 2013: Erik Homburger Erikson, Identität und Lebenszyklus (1973), 26. Auflage, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag.
Förtig 2002: Helene Förtig, Jugendbanden, München, Herbert Utz Verlag.
Keupp 2013: Heiner Keupp, Identitätskonstruktion: Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne (1999), 5. Auflage, Hamburg, Rowohlt Verlag.
Oerter 2008: Rolf Oerter, Entwicklungspsychologie·. Lehrbuch 6, Hg. von Leo Montada, vollst, überarb. Auflage, Weinheim, Beltz Verlag, S. 189f.
Rabino wich 2016a: Julya Rabino wich, Dazwischen Ich. Eine Geschichte vom Ankommen, München, Carl Hanser Verlag.
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© 2024. This work is published under https://www.philologica-jassyensia.ro/index_en.html (the “License”). Notwithstanding the ProQuest Terms and Conditions, you may use this content in accordance with the terms of the License.
Abstract
In the young adult novel Dazwischen Ich by Julya Rabinowich, the arrival phase of the young protagonist Madina is explored. The loss of her homeland signifies not only a spatial separation for the protagonist but also personal development and change. At the core of this discussion is the central question of the impact of leaving one's homeland. What processes of alienation does the protagonist undergo due to her uprooting after the escape, and is it appropriate to speak of a loss of identity? Simultaneously, one can pose the question of whether a new identity formation takes place in the course of these experiences. To examine identity formation more closely, an attempt is made in the first part of this paper to define the terms identity, adolescence, and identity formation, in order to subsequently examine them through a detailed textual analysis. The selected work focuses on the portrayal of Madina, a 12-year-old girl of Muslim background who arrives in Germany with her family. The investigation reveals that Madina crystallizes a new identity through her efforts to acquire language quickly, adapt rapidly to new routines in the destination country, and desire to participate in the new culture. Her close friendship with Laura, a native girl, accelerates Madina's assimilation process and enhances the influence of peers in adolescence. Moreover, increased focus on her outward appearance as a Muslim teenager emphasizes age-appropriate priorities and contributes to the formation of her new identity. Madina experiences familial estrangement based on her rapid adaptation to the new culture and mentality of the destination country, particularly critically viewed by her father. He regards his daughter's changes and assimilation processes with concern, fearing the loss of traditional values and religious practices. Madina finds herself at a threshold between the process of arriving and detaching from the family, closely linked to the loss of her homeland, which represents a transitional space where she has the opportunity to redefine herself and form a new identity, influenced by the culture of the destination country. The positioning between worlds highlights the obstacles Madina must overcome after arrival, particularly during her accommodation phase and assuming adult responsibilities such as translations, discussions with authorities, and acting as a mediator for her parents and caregiver for her younger brother, due to the language barrier. The investigation also demonstrates that access to education contributes to a faster integration process for Madina, enabling her to accept the destination country as her new home. In contrast to her parents, Madina shows willingness to detach from her homeland, further contributing to the formation of a new identity. Finally, it is observed that due to her young age, the estrangement is more visible, but accommodation and integration progress more rapidly.
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1 „Lucian Blaga"-Universität, Hermannstadt, Rumänien