Content area
Full Text
Rainer Geiler
Einheit-in-Verschiedenheit.
Die interkulturelle Integration von Migranten ein humaner Mittelweg zwischen Assimilation und Segregation
Der Beitrag setzt sich kritisch mit der Deba tte um Integration in der deutschen Migrationsforschung auseinander. In Deutschland dominiert eine assimilative Integrationstheorie: Integration sei nur als Assimilation mglich, weil sozialstrukturelle Integration (Ch ancengleichheit) und kultureller Pluralismus nicht miteinander vereinbar seien (Unvereinbarkeitstheorem). Am Beispiel des klassischen Einwanderungslandes Kanada wird gezeigt, dass das Unvereinbarkeitstheorem eine unzulssige Verallgemeinerung darstellt und dass die interkulturelle Integration nach dem k anadischen Prinzip von Einheit-in-Verschiedenheit einen humanen Mittelweg zwischen Assimilation und Segregation darstellt. Dieses Konzept sucht nach einer ausgewogenen Balance zwischen den gesellschaftlichen Erfordernissen nach sozialer Kohsion sowie den Interessen der Mehrheit am Respekt vor ihren Grundwe rten einerseits und den Bedrfnissen der ethnischen Minderheiten nach Gewhrung und Anerkennung sozialkultureller Differenzen andererseits. Am kanadischen Beispiel wird zugleich deutlich gemacht, dass es groer politischer und gesellschaftlicher Anstrengungen bedarf (ethnic diversity mainstreaming), um eine Ethnisierung der Ungleichheitsstruktur einzudmmen.
1. Einleitung
Integration ist neben Migration nicht nur der zentrale Grundbegriff der Migrationsforschung, sondern um Integration kreist auch die aktuelle migrationspolitische Debatte in Deutschland, nachdem seit wenigen Jahren auch die politischen Eliten erkannt haben, dass Deutschland zu einem Einwanderungs-land geworden ist. In einer vorlufigen groben Form kann man unter Integration die Eingliederung der Migranten in die Aufnahmegesellschaft verstehen. Beim genaueren Umgang mit der Integrationsproblematik wird schnell offensichtlich, dass das Integrationskonzept hoch komplex ist und einen doppelten Doppelcharakter aufweist: Zum einen bezieht es sich gleichzeitig auf den Prozess und den Zustand der Eingliederung als Ergebnis dieses Prozesses, meist aber auch noch auf das erwnschte Ziel, den erwnschten Endzustand der Eingliederung.
Letzteres weist auf den zweiten Doppelcharakter hin: Integration ist gleichzeitig ein wissenschaftlich-analytisches und normativ-politisches Konzept. Wer sich als Wissenschaftler mit Integration befasst, bewegt
sich ob er bzw. sie will oder nicht stets auch in einem politischen Feld. Unterschiedliche Konzepte von Integration haben unterschiedliche politische Implikationen. Wer Integration mit Assimilation und Akkulturation gleichsetzt, wird zum Teil andere Fragen stellen, andere Aspekte der Realitt ausleuchten und andere Mglichkeiten der politischen Verwertung seiner Ergebnisse anbieten als derjenige, dessen Integrationskonzept auch kulturellen Pluralismus zulsst. Angesichts der hohen politischen Relevanz des Konzepts ist es nicht verwunderlich, dass die Bedeutung des Begriffs hchst umstritten, ja umkmpft ist, sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft.
Im Folgenden...