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Classen, Albrecht: Deutsche Schwankliteratur des 16. Jahrhunderts. Stuthen zu Martin Montanus, Hans Wilhelm Kirchhof und Michael Lindener (Koblenz-Landauer Stuthen 4). Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, 2009. 200 S.
Albrecht Classen lehrt Germanistik an der Universität von Arizona und muß als einer der führenden Sachkenner deutscher Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit nicht weiter vorgestellt werden (Vita und Bibliographie Classens auf seiner Homepage www.gened.arizona.edu/aclassen, Recherche 5.7.2010). 2003 hatte er an Johannes Paulis Schimpf und Ernst gezeigt, daß die Exempelsammlungen des 1 6. Jahrhunderts in der Tradition spätmittelalterlicher Literatur stehen, so daß - entgegen der herrschenden Auffassung - von einem grundlegenden Epochenwandel seit dem 15. Jahrhundert nicht die Rede sein kann (Fabula 44 [2003] S. 209-236). Diese These wird in der hier vorgelegten Studie zu drei häufig genannten und publizierten Schwankautoren des 16. Jahrhunderts vertieft und weiterverfolgt.
Die Leitgedanken der Arbeit sind bereits in der Einleitung dargelegt: Die Welt des 16. Jahrhunderts literarisch gespiegelt - mentalitätsgeschichtliche Diskurse bei Martin Montanus, Hans Wilhelm Kirchhof und Michael Lindener (S. 1-28). Der Ansatz gestaltet sich schwierig, weil eine überzeugende Definition von ,Schwank' bisher fehlt; auch der Artikel Schwank in der Enzyklopädie des Märchens (Hermann Bausinger), der in der volkskundlichen wie germanistischen Literatur sonst durchgehend positiv bewertet worden ist, hat dies Problem nicht durchschlagend lösen können (Enzyklopädie des Märchens 12 [2007] Sp. 318-332; vgl. auch Abschnitt 1 .5-1 .7 des Artikels Deutschland von Kurt Ranke, Enzyklopädie des Märchens 3 [1981] Sp. 470-498). Classen beschränkt sich auf folgende Minimaldefinition: "Komische Prosaerzählung des 16. Jahrhunderts, die oft eine didaktische Intention verfolgt, Spott nach allen Seiten hin austeilt und das Publikum zum Lachen über törichte bzw. sich falsch verhaltende Menschen veranlassen will" - doch nennt er selbst diesen Versuch "höchst oberflächlich und letztlich zu verkürzend" (2). Er hält die gängige Lehrmeinung für falsch, die das 16. Jahrhundert weitgehend als eine rüde, grobe, unkultivierte und gewalttätige Zeit beschreibt, und stellt sich damit gegen Kulturtheoretiker wie Norbert Elias und Philippe Ariès, Michel Foucault und eine Phalanx zeitgenössischer Autoren: "Diese haben sich überhaupt nicht mit den Texten auseinandergesetzt . . . Zudem haben sie sich vor allem durch vorgeprägte Urteile etwas zu einseitig bestimmen lassen" (2, Anm. 3). Man könne, so Classen, aufgrund des vorhandenen Korpus komischer Erzählungen nicht einfach globale kulturhistorische Beobachtungen entwickeln. Auch habe...