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KlnZSoziol(2010)62:485514 DOI10.1007/s11577-010-0107-0
ABHANDLUNGEN
Zusammenfassung: Die vorliegende Studie setzt unsereAnalysen der Kontaktierungsprozesse im Online-Dating (KZfSS 2/2009) fort. Da Paarbeziehungen auf einer konsensuellen Entschei-dungfreinegemeinsameBeziehungberuhen,widmetsichdervorliegendeBeitragderFrage, wie Mnner und Frauen auf Erstkontaktversuche reagieren. Die Datenstruktur von Online-Dating-BrsenbieteteineeinzigartigeChance,soziologischimDetailzurekonstruieren,wiePaarbeziehungen als konsensuelle Wahlhandlung nach und nach entstehen. Der Beitrag liefert vier wichtigeBefunde:Erstensdokumentierter,dassnur20%allerErstkontaktereignissetatschlich beantwortetwerden.DasisteinberraschendkleinerAnteil.ZweitensbesttigterdieaustauschtheoretischeHomophiliehypothese.Diesebesagt,dasshnlichesBildungsniveau,tendenzielleAltersgleichheitundeinevergleichbarephysischeAttraktivittdenAufbaureziprokerBeziehungen deutlich begnstigen. Drittens zeigt sich, dass Frauen noch immer groe Probleme haben, sich aufAngebotevonMnnerneinzulassen,dieeinniedrigeresBildungsniveauhabenalssieselbst. Mnner hingegen haben weniger Probleme auf die Angebote hhere qualizierter Frauen zu antworten.DierelativeSeltenheitderPaareinDeutschland,beidenendieFrauenhhereBildungsressourcenhabenalsihrePartner,istdeshalbscheinbarvorallemaufdiePrferenzenderFrauen und nicht die der Mnner zurckzufhren. Viertens ndet die vorliegende Studie keine Hinweise fr die Gltigkeit der Tradeoff-These. Das heit, es ndet kein Austausch von physischer AttraktivittgegenBildungsressourcenbeiderPartnerwahlstatt.
VSVerlagfrSozialwissenschaften2010
DieserAufsatzistimRahmendesDFG-ProjektsProzessederPartnerwahlbeiOnline-Kontaktbrsenentstanden.WirdankenderDeutschenForschungsgemeinschaftfrdieFrderung desProjekts.InsbesonderedankenwirunseremKooperationspartnerfrdieguteundvertrauensvolle ZusammenarbeitunddieBereitstellungderfaktischanonymisiertenDaten.
F.Schulz()
InstitutfrArbeitsmarkt-undBerufsforschung(IAB)derBundesagenturfrArbeit(BA), RegensburgerStrae104,90478Nrnberg,DeutschlandE-Mail: [email protected]
J.SkopekH.-P.Blossfeld LehrstuhlfrSoziologieI,UniversittBamberg,Wilhelmsplatz3, 96047Bamberg,DeutschlandE-Mail: [email protected]
H.-P.Blossfeld
E-Mail: [email protected]
Partnerwahl als konsensuelle Entscheidung
Das Antwortverhalten bei Erstkontakten im Online-Dating
Florian Schulz Jan Skopek Hans-Peter Blossfeld
486 F.Schulzetal.
Schlsselwrter: PartnerwahlOnline-DatingPartnersucheimInternetHomophilie
TradeoffHeiratsmarkt
Mate selection as a mutual choiceHow men and women reply to contact offers in online dating
Abstract: This study continues our analyses of contacting behavior in online dating (KZfSS 2/2009).As the beginning and continuation of a relationship is based on consensual decisions ofbothpartnerstointeract,weconcentrateonthequestionifandhowpotentialpartnersindeed reply to contact offers. Data from online dating platforms therefore offer a unique opportunity for sociologists to study how partnerships are initiated and how they develop over time. This contributionprovidesfourimportantempiricalresults:Firstly,itdemonstratesthatonly20%of all rst contact offers are answered. This is a surprisingly small proportion. Secondly, it supports thehypothesisofhomophily.Accordingtothishypothesis,peoplewithsimilareducation,ageand physicalattractivenessshouldprefereachotherandthusaremorelikelytoformcouples.Third, itshowsthatwomenstillhavesevereproblemstoreplytocontactoffersfromlowereducated men,whilemenarealreadylessreluctanttoreplytohighereducatedwomen.Thus,therarityof coupleswherewomenarehighereducatedthantheirpartnersaretoalargeproportiontheconsequence of womens preferences rather than mens preferences. Finally, our study does not nd anysupportforthetrade-offhypothesis,indicatingthatwomendonotexchangetheirphysical attractivenessformenseducationalresources,andviceversa.
Keywords: MateselectionOnlinedatingOnlinematesearchHomophily Trade-offMarriagemarket
1 Einleitung und Fragestellung
EinneuerundvielversprechenderAnsatzdermodernenPartnerwahlforschungistdieAnalysedigitalerHeiratsmrkte.InunsererempirischenStudiezurPartnersucheimInternet habenwirkrzlichfrDeutschlanduntersucht,welchePersonenimOnline-Datingvon MnnernundFrauenkontaktiertwerden(Skopeketal.2009).DieinHeft2/2009der KZfSSverffentlichtenHauptergebnisseunsererAnalysesind,dasssichdieMechanismenderPartnerwahlimInternetoffenbargarnichtsosehrvondenbekanntenProzessen desAlltagslebens1unterscheiden:Eszeigtesich,dassdieerstmaligeKontaktierungandererPersonenimOnline-DatingdurcheineklareTendenzzurBildungshomophiliegekennzeichnet ist, die umso strker wird, je hher das Bildungsniveau derAkteure ist. Mit BlickaufheterophilesKontaktverhaltenzeigtsichdarberhinausdeutlich,dassFrauen kaumMnnermitniedrigerenBildungsabschlssenkontaktieren,sondernihrePartner eheraufAugenhheoderdarberbevorzugen.Mnnerwhlenumgekehrt,wennsievom Homophilieprinzip abweichen, eher Frauen mit niedrigeren Bildungsabschlssen. Die ErgebnissedieserPionierarbeitlegendahernahe,dassdiePartnersucheimInternetjen-
1 DieAusdrckeimAlltagslebenoderimAlltagsindimFolgendenstetsaufPhnomeneund
Prozessebezogen,dienicht im Internet, also nicht im virtuellen Raum (ofine) stattnden. Dabeihandeltessichumeinerein sprachliche Konvention,welchedieLesbarkeitdesTextes erleichternsoll.
PartnerwahlalskonsensuelleEntscheidung
seitsdermarkantenNeigungzurhnlichkeitspaarbildungrechtstarkvontraditionellen geschlechtstypischenPrferenzengesteuertwird.
TheoretischsinddieBefundeunsererStudievongroerBedeutungfrdiePartner-wahl-undSozialstrukturforschung,zeigensiedoch,dassdiepersnlichenNeigungen undIntentionenderMenscheneinewichtigeRollebeiderErklrungderPartnerwahl spielen. In der bisherigen Heiratsmarktforschung wurden vor allem die kontextuellen Gelegenheitsstrukturen thematisiert, die den Partnermarkt der Akteure grundstzlich vorstrukturieren und damit bestimmte Kontaktgelegenheiten systematisch begnstigen odervonvornhereinausschlieen(vgl.z.B.Blau1994;Blossfeldu.Timm1997,2003; Stauder2008;Kleinu.Stauder2008).DemgegenberermglichtdieAnalysedesvirtu-ellenHeiratsmarktesnuneinendetailliertenBlickaufdasWechselspielintentionalerund struktureller Einussfaktoren der Partnerwahl, da erstens die strukturell vorgegebenen KontaktgelegenheitenderAkteurezujedemZeitpunktkontrolliertwerdenknnen,und sichzweitensdieEntscheidungenfrkonkreteKontaktpartnerdirektundnichtreaktiv empirischbeobachtenlassen.Darausfolgt,dassdurchdieAnalysevonInteraktionsmusternimOnline-DatingRckschlsseaufdiesubjektivenAnspruchsniveausunddiedarausresultierendenNeigungenderAkteuremglichsind.
ImvorliegendenAufsatzmchtenwiraufdenskizziertenErkenntnissenunsererErstkontaktanalysen(vgl.ausfhrlichSkopeketal.2009)aufbauenundsieinzweierleiHinsichterweitern.Zunchstistklar,dassdieErgebnissedererstmaligenKontaktierungauf Internetkontaktbrsen,wiesieinunsererAusgangsstudievorgelegtwurden,nurdererste SchrittzueinembesserenVerstndnisdesProzessesderPartnerwahlimInternetsind. WhrenddasinitiativeAnschreibeninteressanterPersonenimOnline-DatingdenAufbausozialerBeziehungenberhauptermglicht,entscheideterstdieBeantwortung dieser Erstkontaktedarber,welchediesererstmaligen,virtuellenAufeinandertreffenzweier Online-Datingnutzerfortgesetztwerden.SchlielichbasierensozialeBeziehungennicht aufeinereinseitigenWahl,beidereinpassivesGutdaraufwartet,voneinemAkteur alspassendbefundenzuwerden.EshandeltsichbeiderEntscheidungfreinePartner-schaftvielmehrumeinenkonsensuellenAkt:BeideAkteuremsseneinerPartnerschaft zustimmen und sich als Paar begreifen, damit eine stabile Beziehung berhaupt erst zustandekommenkann(vgl.Toddu.Miller1999).DennbleibtbereitsderErstkontakt unbeantwortet,istderProzessderBeziehungsentwicklungaufderOnline-Plattformim GrundebeendetunddieindividuellePartnerwahleinesAkteursistgescheitert.Folglich istdieBeantwortungeinesErstkontaktsdieerstekonsensuelleWeichenstellungimProzessderPartnerwahl.VordiesemHintergrundistesdas erste Ziel unserer Studie,die DeterminantenundMechanismendiesesnotwendigenzweitenSchrittesdesPartnerwahlprozessesempirischnachzuzeichnenundherauszuarbeiten,wiesichdiedurchdenErstkontaktergebendesozialeStrukturierungderPaarkonstellationenkollektivreproduziert oderverndert.
Aus Sicht einer dynamischen...