Affektives Kapital Die Ökonomisierung der Gefühle im Arbeitsleben Birgit Sauer, Otto Penz Frankfurt am Main / New York 2016: Campus Verlag, 245 Seiten.
Am verpflichtenden Empathieunterricht an dänischen Schulen, an der neuen Berufsgruppe der „Wohlfühl-Managerlnnen" in Unternehmen oder an Schlagworten wie „soft skills" oder „emotionale Intelligenz", die längst in die Alltagssprache Einzug gefunden haben, wird deutlich, dass Emotionen mittlerweile als entscheidende Erfolgsfaktoren in fast allen Berufssparten gelten. Von Seiten der Sozial- und Kulturwissenschaften wurde dieser Trend bereits vor über 30 Jahren in der bahnbrechenden Studie von Arlie Hochschild (1983) über die Emotionsarbeit von FlugbegleiterInnen und Inkassoangestellten registriert. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einem affective turn. An diesen anknüpfend nehmen die Politikwissenschafterin Birgit Sauer und der Soziologe Otto Penz in ihrem aktuellen Buch Affektives Kapital die zunehmende Bedeutung affektiver Arbeitsformen, insbesondere in den interaktiven Dienstleistungen zum Ausgangspunkt. Ihr Beitrag liegt darin zu zeigen, wie Affekte als Teil der neoliberalen Regierungstechnologien fungieren. In ihrer Untersuchung erweitern die AutorInnen Hochschilds Konzeption von Gefühls- und Emotionsarbeit und rekurrieren auf das postoperaistische bzw. gouvernementalitätstheoretisch anschlussfähige Konzept der „affektiven Arbeit" (Gutierrez Rodriguez 2011). Den Anspruch verfolgend, dass empirische Forschung die Theorie bereichern soll (219), erarbeiten die AutorInnen am Beispiel der österreichischen Post AG aus einer affekttheoretischen Perspektive eine pointierte Analyse der sich wandelnden Erwerbsarbeitsverhältnisse in der Ära des Postfordismus. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf der Frage, inwiefern die Subjekte im Modus der Affekte sich selbst und andere regieren und ob sich dabei Möglichkeiten für widerständiges Handeln und Solidarität eröffnen.
Wie der Titel bereits erahnen lässt, greifen Penz und Sauer für ihre gesellschaftstheoretische Analyse aktueller Erwerbsarbeitsverhältnisse auf die Kapitaltheorie Pierre Bourdieus zurück. Mit dem Ziel, ein machtsensibles Affektkonzept zu entwerfen (37), bringen die AutorInnen diese mit den Foucault'schen Konzepten der Gouvernementalität und der Subjektivierung zusammen und ergänzen beide Theoriestränge um die Komponente der Affekte (75). Mit diesem „theoretischen Werkzeugkasten" (76) untersuchen sie die Rolle von Affekten in neoliberalen Formen des Steuerns und Regierens von Menschen in der Erwerbsarbeit wie auch in weiteren Teilen des gesellschaftlichen Zusammenlebens (76). Dabei konzentrieren sich die AutorInnen nebst der Einführung des Affektbegriffes vor allem im ersten Teil des Buches auf die steigende öffentliche Aufmerksamkeit hinsichtlich Gefühlen und Affekten und analysieren deren kapitalistische In-Wert-Setzung. Die AutorInnen zeigen damit, wie „moderne" ArbeitnehmerInnen durch affektive Arbeit einerseits in Ausbeutungs- und Machtverhältnissen eingebunden sein können, gleichzeitig aber auf derselben affektiven Ebene ihr Arbeitsfeld mitgestalten bzw. verändern können. Ein fundamentales Anliegen des Buches liegt zudem darin, auch die geschlechtsspezifsche Dimension innerhalb dieser Machtverhältnisse aufzuzeigen und die AutorInnen werfen die Frage auf, inwiefern die Affektualisierung von Arbeit und die damit einhergehenden Subjektivierungsprozesse zu Veränderungen der Geschlechterordnung, der Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit führen (192). Auf diese grundsätzliche Einführung in die Thematik und die Vorstellung der zentralen theoretischen Bezugspunkte der Untersuchung folgt die empirische Analyse der veränderten Arbeitsverhältnisse am Fall- beispiel der seit 2006 börsenorientierten österreichischen Post. Penz und Sauer zeigen auf, dass Affekte nicht mehr als irrelevant oder gar als Störfaktor im Arbeitsprozess betrachtet werden, sondern vielmehr als Ressource bzw. als Kapitalform. Dadurch wird deutlich, dass sich die affektive Subjektivierung von Arbeitsverhältnissen als eine neue gesellschaftliche Macht- und Regierungsform beschreiben lässt, nämlich im Sinne einer „affektiven Gouvernementalität". Kennzeichen dieser ist die Selbst- und Fremdregierung der Postangestellten, zu deren Erklärung nach Penz und Sauer auch die affektive Dimension einbezogen werden müsse.
Mit ihrer detaillierten und historisch verankerten Darstellung des Gestaltwandels von Erwerbsarbeit im Postfordismus leisten Penz und Sauer mit den Konzepten des „affektiven Kapitals" und der „affektiven Gouvernementalität" einen wichtigen Beitrag zu einer machttheoretischen Analyse westlich-kapitalistischer Arbeitsverhältnisse, indem sie die nicht zu unterschätzende Rolle von Emotionen und Affekten für die neoliberale Regierungslogik sichtbar machen und somit eine Form von Herrschaft enthüllen, die weit über das staatliche Gewaltmonopol hinausreicht. Bemerkenswert ist vor allem der Ansatz von Sauer und Penz, über das Konzept der Affekte systematisch zwei zentrale gesellschaftskritische Theoriestränge in die Diskussion um affektive Arbeit einzufügen, was besonders durch die geschlechtssensiblen Untersuchungsteile deutlich wird. Insgesamt liefert der Band eine umfassende Theorie zur Bedeutung von Affekten im Kontext gesellschaftlicher Transformationsprozesse und empfiehlt sich insbesondere für alle diejenigen, die sich mit gegenwärtigen Macht- und Herrschaftsformen beschäftigen.
Literatur
Gutiérrez Rodriguez, Encarnación (2011). Politiken der Affekte: Transversale Konvivalität, in: Isabell Lorey/Robert Nigro/Gerald Raunig (Hg.): Inventionen, Zürich, 214-229.
Hochschild, Arlie Russell (1983). The Managed Heart: Commercialization of Human Feeling, Berkely/Los Angeles/ London.
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1 Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien, Österreich E-Mail: [email protected]