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29. Januar bis 25. April 2010
Tate Liverpool
Liverpool. Seit dem Erscheinen von Paul Gilroys mittlerweile zum Klassiker avanciertem Buch1 ist der »Black Atlantic« eines der zentralen Bilder, wenn es um transkulturelle Konzepte von Identität, Kultur und Moderne geht. Gilroy hatte den durch Sklavenhandel, Kolonialismus und frühe Weltwirtschaft über drei Kontinente aufgespannten transatlantischen Raum als einen »negativen Kontinent« aufgefasst, einen dynamischen Raum der Bewegungen und Übersetzungen von Menschen, Ideen und Ausdrucksformen, der eine Schwarze »Counterculture of Modernity« hervorbrachte. Diese Kultur der afrikanischen Diaspora ist Gegenkultur nicht nur im konzeptuellen Sinn, als nicht territoriale Alternative zu den dominanten, national oder europäisch begründeten Identitätsmodellen der Moderne, sondern vor allem durch ihre Formation im Kontext von Widerstands-, Befreiungs- und Emanzipationsprozessen, von der Revolution in Haiti über die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung bis zu den Kämpfen der Dekolonisation in Afrika und der Karibik. Hatte Gilroy den »Black Atlantic« vor allem anhand wichtiger Protagonistinnen der politischen, literarischen und musikalischen Gegenkultur des 19. und 20. Jahrhunderts beschrieben, so intendiert die Ausstellung »Afro Modern - Journeys through the Black Atlantic« eine Darstellung der bildkünstlerischen Modernismen im transkontinentalen Raum Schwarzer Moderne. Die Ausstellung der Tate Liverpool ist nicht die Erste, die sich diesem Thema widmet. 2004 hatte Shaheen Merali am Berliner Haus der Kulturen der Welt bereits einen Versuch unternommen, aus dem zwar eine ausgezeichnete Publikation hervorging,2 der aber mit der Präsentation von einigen wenigen zeitgenössischen Künstlerinnen dem Thema nicht wirklich gerecht werden konnte. »Afro Modern« setzt den zeitlichen und geografischen Rahmen wesentlich weiter an und kann so die Verzweigungen und Wechselwirkungen diverser Modernismen zwischen Afrika, Amerika und Europa, wenn schon nicht umfassend darstellen, so doch mit etwa 140 Werken von 60 Künstlerinnen recht plastisch vor Augen führen.
Der historische Einstieg ist mit der Zwischenkriegszeit gut gewählt, treffen doch in den 1920er- und 1930erJahren eine Reihe von bedeutenden Bewegungen und Tendenzen nicht nur historisch, sondern auch in zahlreichen persönlichen Begegnungen ihrer Protagonistinnen zusammen. Während sich insbesondere im Paris der 1920er die...