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Nie und nirgends habe ich die Bedeutung der Bühne, und ihre Stellung zu den Forderungen der Zeit verkannt; unzählige Male habe ich mir es zur Pflicht gemacht, darauf hinzuweisen, daß sie ihr Heil nur im festen, innigen Anschließen an die Gegenwart und das Leben finden könne.1
Das Theater ist das constitutionelle Haus der Poesie, in welchem der Dichter mit der Beredsamkeit der dramatischen Kunst zur Volksversammlung spricht.2
Politisches Handeln und gesellschaftliche Relevanz für die Gegenwart - darauf bestehen die Publizisten um 1848, wenn es um dramatische Kunst und Theater geht. Ein Lebensgeftihl schlägt sich Bahn, das eine Erneuerung, einen Umschlag des Geschichtsverlaufs in eine bessere Gesellschaft, eine bessere Nation erwarten lässt. Die Zeit selbst setzt die Ziele, das Theater darf sich dem unruhigen Puls der Revolution nicht entziehen. Es werden Antworten von ihm gefordert auf die politischen und gesellschaftlichen Fragen des Umbruchs. Aber welches Theater könnte dies erfüllen? Welche Position muss das Theater hier einnehmen zwischen publizistischer Öffentlichkeit, Kunstautonomie und Repräsentationsanspruch? Und, lässt sich hier eine Neu-Konzeption von Theater erkennen, oder haben wir es hier letzüich mit den Schlagworten einer doch befristeten revolutionären Erhebung zu tun?
Nach der französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen ist Europa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gekennzeichnet durch massive soziographische und politische Veränderungen. Die Spannungen zwischen Restauration und politischem Reformwillen endaden sich 1848 in Revolutionen. In der Theatergeschichtsschreibung wird die Epoche von 1800 bis 1850 überwiegend als wenig produktive Phase gewertet, da die Erfolgsformate der Zeit - Rührstück und Melodrama - keine literarische Anerkennung erfahren. Interessant erscheint jedoch, Theater und Theatralität als operatives Medium und Modell einer Öffentlichkeit zu betrachten, die in der politischen Umbruchsphase ihre performative Wirksamkeit entfaltet. Denn es lässt sich zwischen 1840 und 1848 eine publizistische Debatte feststellen, die Theater als wirksame Öffentlichkeit kämpferisch verhandelt. In den Revolutionen von 1848/49 materialisieren sich diese Diskurse; jetzt ist die Zeit für eine lebensnahe und politiknahe Theaterpraxis. Mein Beitrag wird Albert Lortzings Opernprojekt Regina (1848) in diesen Zusammenhang stellen - der revolutionäre Lortzing am Puls der Zeit.
Öffentlichkeit und Zirkulation
Trotz des Diktums eines politischen Scheiterns der Revolutionen von 1848/49, muss man davon ausgehen, dass in der kurzen freiheidichen Zeitspanne in Deutschland Konzepte einer modernen Literatur und Theaterkunst erprobt wurden, die eine auch über das Scheitern hinaus...