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Jugendliche schreiben heute in ihrer Freizeit weitaus mehr, als sie es noch vor zehn Jahren taten. Dieses Schreiben erfolgt überwiegend in neuen Kommunikationsformen (z.B. E-Mails, Chat, SMS, Instant Messaging). Dabei stellt sich die Frage, ob dieses häufige private Schreiben dasjenige in normgebundenen Produktionssituationen verändert und ob sich Kontaktphänomene zwischen privatem und normgebundenem Schreiben feststehen lassen. Im vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projekt "Schreibkompetenz und neue Medien", das am 1. November 2006 seine Arbeit aufgenommen hat, wird untersucht, ob es einen Einfluss der neuen Medien auf die Schreibkompetenz von JugendUchen gibt. Das Projekt wird am Deutschen Seminar der Universität Zürich unter Leitung von Prof. Dr. Christa Dürscheid und der Mitarbeit von Prof. Dr. Ulla Kleinberger Günther, Dr. Franc Wagner und Sarah Brommer, M.A. durchgeführt.
Das Projekt kann auf wichtige empirische und theoretische Vorarbeiten zurückgreifen. Hier ist zum einen das Zürcher Projekt "Muttersprachhche Fähigkeiten von Maturanden und Studienanfängern in der Deutschschweiz" (vgl. Sieber 1994) zu nennen, das Schülertexte sowie Maturarbeiten der Jahre 1881 bis 1991 untersuchte. Zur Analyse der Schülerarbeiten wurde das Zürcher Textanalyseraster erstellt (Nussbaumer 1991; Nussbaumer & Sieber 1995) und daraus das Textqualitäten-Modell abgeleitet. Die Projektergebnisse haben gezeigt, dass sich das Schreiben von Matura-Aufsätzen in der Schweiz im untersuchten Zeitraum stark verändert hat. Die wichtigsten Veränderungen betrafen dabei nicht die sprachformale Richtigkeit (Grammatik, Orthographie, Interpunktion), sondern die funktionale Angemessenheit der verwendeten sprachlichen Mittel. Die Aufsätze wichen von den herkömmlichen Mustern der Schriftlichkeit ab: Sie waren in einem Stil abgefasst, mit dem der Leser möglichst direkt angesprochen werden sollte, und sie wiesen Merkmale konzeptioneller Mündlichkeit (vgl. Koch & Oesterreicher 1994) auf. Sieber (1998) hat dafür die Bezeichnung Parlando geprägt. Weiter sind die Ergebnisse des interdisziplinären Nationalfondsprojekts "Lernen im Kontext neuer Medien - Wirkungszusammenhänge für die Entwicklung von Schriftlichkeit" (vgl. Bertschi-Kaufmann, Kassis & Sieber 2004) für unsere Arbeit interessant. Diese Studie belegt den positiven Einfluss schuhscher und außerschulischer literaler Aktivitäten auf die "Ausdifferenzierung komplexerer Schreibaktivitäten" (ebd.: 245).
Unser Projekt will nun überprüfen, wie sich die Schreibkompetenz der Jugendlichen in normgebundenen Produktionssituationen gestaltet und welche Unterschiede es zwischen dem privaten und normgebundenen Schreiben gibt. Zu diesem Zweck werden wir Schülerarbeiten (Aufsätze, schriftliche Hausarbeiten, Projektberichte etc.) und private Texte von Jugendlichen aus Zürcher Gymnasien, Sekundärschulen und Berufsschulen miteinander vergleichen. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Frage nach der funktionalen Angemessenheit...