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Internationale Dialektologentagung in Göttingen, 19. bis 21. Oktober 1998
Der Initiative von Klaus J. Mattheier (Heidelberg), Dieter Stellmacher (Göttingen) und Peter Wiesinger (Wien) hat die dialektologische Fachwelt nicht nur eine anregende Ta- gung mit dem Titel "Dialektologie zwischen Tradition und Neuansätzen" zu verdanken, sondern vor allem auch die Gründung der "Internationalen Gesellschaft für Dialektolo- gie des Deutschen", deren erklärtes Ziel es ist, dialektologische Forschungsvorhaben und den wissenschaftlichen Austausch zwischen Dialektologinnen und Dialektologen zu fördern.
Die Reihe der 25 Vorträge, die in der Aula der Erziehungswissenschaftlichen Fakul- tät der Georg-August-Universität Göttingen gehalten wurden, dokumentierten denn auch auf schönste Weise, womit sich die aktuelle Dialektologie hauptsächlich beschäf- tigt: mit moderner, computergestützter Auswertung "klassischer" Daten, mit neuen und bisher vernachlässigten dialektologischen Untersuchungsobjekten wie Syntax und In- tonation, mit ausgeweiteten soziodialektologischen Fragestellungen und schließlich mit der Reflexion ihrer Forschungsgeschichte und -praxis selbst. Nachfolgend ein kurzer Abriß der Referate in jener Reihenfolge, die die Organisatoren dafür vorgesehen haben.
Peter Wiesinger (Wien) eröffnet die Reihe der Vorträge mit einem Grundsatzreferat über den Stand der dialektologischen Forschung und plädiert eindringlich für Untersu- chungen dialektaler und substandardlicher Varietäten als Formen heutiger gesprochener Sprache, bei denen vermehrt auch das Moment der Einstellungen der Sprecherinnen und Sprecher einbezogen werden müsse. Wiesinger regt zudem in bezug auf die synchrone Dialektologie die Behebung eigentlicher Wissenslücken an, was etwa Syntax und Intona- tion betrifft. Schließlich wünscht er sich auch eine starke diachron ausgerichtete Dialek- tologie, die endlich die bislang fehlende (Regional-)Dialektgeschichtsschreibung voran- bringen könnte.
Anhand von Beispielen aus dem Mittelrheinischen Sprachatlas illustriert Joachim Herrgen (Mainz), wie fruchtbar sich eine "doppelte" Datenerhebung mit zwei demogra- phischen Gruppen erweist: die Sprachatlaskarten können zur Dokumentation sprachli- chen Wandels herangezogen werden, der offensichtlich auch anders verlaufen kann, als man gemeinhin annimmt: Hochfrequente Elemente zeigen eine relativ große dialektale Konstanz; die Standardsprache scheint vor allem dann einen Einfluß zu haben, wenn sie in der Struktur des Basisdialekts "angelegt" ist. Entscheidend wirken sich auch heute die Varianten der sprachgeographischen Nachbarschaft aus, die bevorzugt übernommen werden und zu einer dialektalen Regionalisierung führen.
Evelyn Ziegler (Heidelberg) untersucht die Varietäten innerhalb einer bäuerlichen Mehrgenerationen-Familie. Ziegler erstellt für die Testpersonen einen auf 11 Variablen beruhenden Dialektalitätsindex, dessen Werte für die untersuchten Personen erstaun- licherweise relativ nahe beieinander liegen. Interessante Erkenntnisse kann Ziegler zu den Variabilitäten vorlegen: die dialektalen...