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The chapter analyses the representation of Jewish characters in Wolfgang Staudte's 1946 film Die Mörder sind unter uns and in a number of Wolfgang Weyrauch's works, reading Weyrauch's literary construction of Jews in the context of representations of victims and perpetrators in the immediate post-war period. It argues that Staudte and Weyrauch either de-particularise the Jewish experience of victimisation in favour of a universalised concept of suffering that can be applied to Nazi victims and Germans alike or that Jews and Germans exchange places. Texts from the early post-war period thus constitute an important source for the establishment of a post-war German victim mentality.
In seinem Resümee zur Debatte um eine Veröffentlichung von Hans Jürgen Syberberg aus dem Jahr 1990 zitiert Lothar Baier zwei Aussagen des Filmregisseurs und Autors. Die erste entstammt Syberbergs Notizbuch- Veröffentlichung Die freudlose Gesellschaft. Notizen aus dem letzten Jahr von 1981:
Die Juden gibt es bei uns nicht mehr, seit fünfunddreißig Jahren [...] und im Bereich des Films, wo sie am radikalsten verschwunden sind, sieht man, was sich verändert hat - alles wurde unsagbar böse, ungeschmeidig im Witz oder Denken und Diskutieren, Wunden werden geschlagen, an denen weder Opfer noch Täter bittere Freude finden können, die geistige Freude der Produktivität.1
Diese Proposition setzt Baier in Beziehung zu dem Wort von der 'unseligen Allianz einer jüdisch-linken Ästhetik gegen die Schuldigen' und der Behauptung: 'Wer mit den Juden ging wie mit den Linken, machte Karriere.'2 Letztere entstammen dem Essay Vom Unglück und Glück der Kunst in Deutschland nach dem letzten Krieg (1990), mit dem Syberberg ein Jahr nach der deutschen Vereinigung die einhellige Ablehnung des liberalen Feuilletons von ZEIT bis FAZ auf sich zog. Baier fragt, ob etwa Syberberg, der in dem Zitat von 1981 das Verschwinden der Juden aus dem deutschen Kulturleben bedauerte, inzwischen einen radikalen Wandel durchlebt hätte, oder aber, ob er mit beiden Aussagen nicht vielmehr einer 'Spur' folge, die in Deutschland Tradition besitze und die dazu zwinge, in dem scheinbaren Widerspruch eine Ergänzung zu sehen. Im Sinne der von ihm als Alternative formulierten zweiten Hypothese gelangt Baier dann zu einer eigenen Definition des modernen Antisemitismus in Deutschland. Dieser zeichne sich durch eine Gleichzeitigkeit des antisemitischen Vertreibungs- und Vernichtungswunsches mit einer betonten Hochschätzung der den Juden zugeschriebenen positiven...