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Die internationalen Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen stocken; das sieht auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen so. In seinem neuen Sondergutachten propagiert er daher "Laboratorien für aktiven Klimaschutz" und einen "modularen Multilateralismus" als Instrumente, um den Klimaschutz zu befördern. Wenn nur alle "das Zusammenspiel" übten, werde alles gut. Dass das so einfach nicht ist, zeigen die Erfahrungen der Klima-NGOs, der Klimabewegungen und deren Netzwerke - doch genau diese Erfahrungen blendet das WBGU-Gutachten aus.
A World Citizen Movement that Has Lost Touch with Reality. Reflections on the Report Climate Protection as a World Citizen Movement by the WBGU | GAIA 23/4 (2014): 306-308 | Keywords: climate change, climate governance, climate politics, NGO, social movement
Mit Begrifflichkeiten hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) noch nie gekleckert. Nun soll also die "Weltbürgerbewegung" den globalen Klimaschutz vorantreiben (WBGU 2014). Der Gesellschafts- Vertrag für eine Große Transformation (WBGU 2011), den der Rat vor drei Jahren forderte, setzte zur "Gestaltung der Transforma- tion" im Wesentlichen noch auf eine "neue Staatlichkeit im Mehr- ebenensystem" (Biesecker und von Winterfeld 2013). Der gestal- tende Staat aber lässt beim Klimaschutz auf sich warten. Das neue Sondergutachten Klimaschutz als Weltbürgerbewegung verspricht einen Ausweg: Weil die internationale Klimapolitik darniederlie- ge, müssten, einem "modularen Multilateralismus" folgend, neue Impulse für ihre Reanimation gegeben werden. Die dafür nöti- gen Initiativen gebe es in der Zivilgesellschaft zuhauf. Alles müs- se nur besser verzahnt werden und schon könne der Klimaschutz auf ein besseres "Ambitionsniveau" (S. 50) gehoben werden.
Nach Vorstellung des WBGU sollen "alle gesellschaftlichen Akteure ihre spezifischen Beiträge zur Dekarbonisierung leisten. So kann eine verschränkte Verantwortungsarchitektur für die Zukunft unseres Planeten entstehen, in der vertikales Delegieren und horizontales Engagieren keinen Gegensatz bilden, sondern sich wechselseitig bestärken" (S. 1).
Starke Worte für ein wichtiges Thema: den Klimaschutz. Aber was ist von der "Weltbürgerbewegung" à la WBGU zu halten? Wird hier eine realistische Alternative zur ideenlosen internationalen Klimapolitik geboten? Wird hier eine Bewegung vorgestellt, die im Vorfeld der nächsten Klimaverhandlungen Ende 2014 in Lima und dann Ende 2015 in Paris neue Akzente setzen kann? Wün- schenswert wäre es - es ist aber nicht so. Denn in seiner Konstruk- tion der Weltbürgerbewegung blendet der WBGU systematisch die klimapolitische Wirklichkeit aus: Er berücksichtigt nicht, dass vieles, was er fordert, seit...