Content area
Full Text
bersichten
Urologe 2016 55:499505DOI 10.1007/s00120-015-3981-2Online publiziert: 14. Oktober 2015 Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
T. Hsch1 T. Neuerburg1 A. Reitz2 A. Haferkamp1
1 Klinik fr Urologie und Kinderurologie, Universittsklinikum Frankfurt, Frankfurt am Main
2 Kontinenzzentrum Hirslanden, Zrich
Eiswassertest und Bladder-cooling-Reflex
Physiologie, Pathophysiologie und klinische Bedeutung
Hintergrund
Die physiologische Harnspeicherung und -entleerung erfordert das Zusammenspiel komplexer Vorgnge im unteren Harntrakt sowie im peripheren und im zentralen Nervensystem. Erst im Alter von 4 bis 5 Lebensjahren reift die Kontrolle ber die Blase zu einem willentlichen Prozess heran. Zerebrum, Rckenmark, periphere Nerven und multiple Rezeptoren und Neurotransmitter sind hierfr in vielschichtigem Zusammenspiel verknpft [14]. Die regelrechte Koordination ist daher wesentlicher Bestandteil fr die normale Blasenfunktion und Harnkontinenz. Strungen im neuronalen Verlauf fhren je nach Lokalisation zu unterschiedlichen Blasenspeicher- und/oder -entleerungsstrungen [5]. Zur Funktionsdiagnostik von Harntraktfunktionsstrungen wird die urodynamische Untersuchung herangezogen. Provokationstests whrend oder im Anschluss an die urodynamische Untersuchung knnen dabei Detrusorberaktivitten demaskieren, die sich wh-rend der Zystometrie nicht gezeigt haben [42].
Der Eiswassertest ist ein klassischer
Provokationstest zur berprfung einer intakten Detrusorhemmung durch das zentrale Nervensystem. Zeigt sich als Reaktion auf die Provokation eine unwillkrliche Detrusorkontraktion, so ist eine Schdigung des oberen Motoneurons oder eine supraspinale Lsion zu vermuten, da der Reflex beim Gesunden ab sp-
testens dem 5. Lebensjahr durch das zentrale Nervensystem supprimiert wird [1]. Durch den Eiswassertest kann eine Detrusorkontraktion bei bis zu 97% der Patienten mit suprasakraler Nervenlsion hervorgerufen werden und stellt somit eine sinnvolle Ergnzung zur urodynamischen Untersuchung dar, um Patienten mit neurogenen Blasenfunktionsstrungen zu identifizieren [18].
Die folgende bersicht stellt den physiologischen Miktionsvorgang auf neuronaler Ebene dar und erklrt im Weiteren die dem Eiswassertest zugrunde liegenden physiologischen, pathophysiologischen und funktionellen Zusammenhnge.
Periphere Innervation
Die funktionelle Einheit des unteren Harntrakts besteht aus der Harnblase (inklusive der tiefen glatten Muskulatur des Trigonums), der glatten Muskulatur der Urethra (zusammensetzend aus Blasenhals, superfizielle Muskulatur des Trigonums und glatte Muskulatur der Urethra), der quergestreiften Muskulatur der Urethra und des Beckenbodens [30]. Seine Hauptaufgabe ist die Speicherung und intermittierende Ausscheidung von Urin [3, 52]. Die Koordination des unteren Harntrakts fr die willentliche Blasenkontrolle unterliegt einem komplexen neuronalen System, das sich erst im Alter von 4 bis 5 Jahren vollstndig entwickelt [14, 26]. Eine adquate Wahrnehmung der Fllung ist dabei entscheidend fr die Blasenkontrolle [13, 41,
52]. Den sensorischen...