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Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Neusatz und Faksimile der Ausgabe Leipzig 1770 (Digitale Bibliothek 135). Berlin: Directmedia Publishing, 2006.
"Die Antike, die unsere Grundlagen gesetzt hat, ist immer wieder wiederentdeckt worden. Sie ist die Wiederentdeckungskultur schlechthin", konstatiert Michael Krüger anläßlich der Neuübersetzung von Homers Ilias durch Raoul Schrott (Afcente, Februar 2007, S. 1). Nicht das Faktum der Homer-Übersetzung in ein (nach Meinung des Rezensenten) ungeeignetes Neudeutsch bringt diesen Satz in Zusammenhang mit der elektronischen Reinkarnation eines über ein Vierteljahrtausend alten Lexikons, vielmehr die Tatsache, daß die modernistische Übersetzung sofort eine lebendige Diskussion auslöste, in der der dreiste Übersetzer sich seiner Haut zu wehren hatte (und dies mit ebensoviel Gemütlichkeit wie Gedankenschärfe absolvierte).
Einerseits gibt es, wie das Beispiel zeigt, immer noch und weiterhin ein allgemeines Interesse an der Antike, andererseits die fortdauernde und wachsende Beschäftigung von immer mehr Menschen mit Mythologie, Okkultismus, Esoterik. Der vorliegende Reprint markiert die Schnittstelle beider Entwicklungslinien. Er ergänzt modernere Kompilationen, beispielsweise Knaurs Lexikon der Mythologie von G. J. Bellinger (1999) oder das Lexikon der abendländischen Mythologie von O. Holzapfel (1993). Als Taschenbuch ist Herbert Hungers Lexikon der griechischen und römischen Mythologie greifbar (1974; benutzt wurde ein Nachdruck der 6. Aufl. von 1981). Vollmers Wörterbuch der Mythologie aller Völker in der Bearbeitung von W. Binder (1874) und der Katechismus der Mythologie von Ernst Kroker (1891) liegen als Reprint vor (1978 bzw. 1980). Heißt die Wiedererweckung eines weiteren Wörterbuchs dieser Kategorie nicht Eulen nach Athen tragen?
Der Gelehrtenfleiß Benjamin Hederichs (1675-1748), des zu Lebzeiten über die deutschen Grenzen hinaus berühmten Rektors der Schule im sächsischen Großenhain, forderte noch die Bewunderung der Allgemeinen Deutschen Biographie heraus (H. Kämmel in ADB 11, 221 f.; s. http://mdz.bib-bvb.de/digbib/lexika/ adb). Seine zahlreichen Veröffentlichungen umfassen unter anderem Einleitungen zu den historischen, philosophischen und mathematischen Wissenschaften, alle drei in mehreren Auflagen und für den Schulunterricht bestimmt; umfangreiche griechische und lateinische Lexika; ein mehr als 3000 Spalten umfassendes Sachlexikon der Antike, nach damaligem Sprachgebrauch Gründliches Antiquitäten-Lexicon genannt (zuerst 1743, Reprint 1972); und, als Gegenstück dazu, das Gründliche mythologische Lexikon (zuerst 1724). Diese als Standardwerke geltenden Wörter- und Handbücher wurden sämtlich mehrfach aufgelegt und umgearbeitet, das mythologische Lexikon schließlich fast vollständig in das Zedlersche Universal-Lexicon (1732-54) übernommen, wenn auch mit leicht variiertem Wortlaut. Die CD geht, wie auch der technisch vorzügliche...