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Melanie David-Erb (2020). Indigene Sprachen in der Bildung. Der Eigensinn der Bildungspraxis gegenüber Bildungspolitik und Forschung am Beispiel von Burkina Faso (Sozialisations- und Bildungsforschung: international, komparativ, historisch, Bd. 18). Münster: Waxmann, 336 Seiten, 39,90 €
Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit wird in den meisten afrikanischen Ländern noch immer die Unterrichtssprache der ehemaligen Kolonisatoren verwendet. Doch woran liegt das? In der vorliegenden Publikation ihrer Dissertation an der Ruhr-Universität Bochum untersucht Melanie David-Erb am Beispiel von Burkina Faso inwiefern der politische und wissenschaftliche Diskurs zur Wahl der Unterrichtssprache in der praktischen Umsetzung im formalen, non-formalen und informellen Bildungssystem zu finden ist und welche subjektiven Wahrnehmungen und Einstellungen verschiedene Bildungsakteure zur Verwendung indigener Sprachen haben. Nach Abschluss ihres Studiums (Germanistik, Philosophie, Ev. Theologie) war die Autorin von 20102013 als Lektorin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) an der Universität in der Hauptstadt Burkina Fasos, Ouagadougou, tätig, woraus die Idee für die vorliegende Publikation entstand. Ihre Tätigkeit als Lehrende erleichterte ihr den Kontakt zu potentiellen Interviewpartnerinnen vor Ort.
Die Publikation gliedert sich in sechs Kapitel mit 280 Seiten, gefolgt von einem ausführlichen Literatur-, Tabellenund Abbildungsverzeichnis sowie einem Anhang, der neben der Sprachbiographie der einzelnen Interviewten auch den verwendeten Interview- und Kodierleitfaden enthält. Im ersten Kapitel werden die Leserinnen in das Thema Indigene Sprachen in der Bildung eingeführt. Durch den historischen Blick erfahren Leserinnen, warum die Sprachen der ehemaligen Kolonialmächte - hier Französisch - im Bildungswesen in Subsahara-Afrika dominant sind.
Anhand von vier aktuellen Länderbeispielen wird der vielfältige Umgang mit indigenen Sprachen verdeutlicht, der von der Einführung einer indigenafrikanischen Sprache als Unterrichtssprache bis zur Verbannung indigener Sprachen aus dem Klassenzimmer reicht. Es folgt ein Überblick über die internationalen politischen und wissenschaftlichen Diskurse zu indigensprachlicher Bildung sowie eine Darstellung der damit verbundenen theoretischen Annahmen. Zur Darstellung der Debatte über Mehrsprachigkeit im Unterricht identifiziert die Autorin sechs Faktoren (vgl. S. 51 ff.). Unter psychologischen Faktoren sei beispielsweise zu berücksichtigen, dass Kinder vor dem Schuleintritt zwar polyglott aufwachsen, doch gerade die europäische Unterrichtssprache im familiären Umfeld vor allem im ruralen Milieu nicht erlernten (vgl. S. 55). Politische Faktoren zeigten, dass es in diesem Bereich vor allem um Machtfragen gehe, wie die Autorin aufzeigt, indem sie verschiedene Standpunkte sowohl westlicher als auch afrikanischer WissenschaftlerInnen aufzeigt. Ausgehend vom Ansatz der Entwicklung einer dynamischen Weltgesellschaft (Meyer, Kamens &...