Content area
Full Text
Bd. III: 19. und 20. Jahrhundert
Berlin/New York: Walter de Gruyter, 1999.
Dieser stattliche Schlußband eines wahrhaft imponierenden und säkularen Werkes wird als die Sprachgeschichte des Jahrhunderts auf lange Sicht seinen Wert behalten. Sprichwörtlich heißt es: "ein Mann [ist] kein Mann", aber Peter von Polenz stellt die große Ausnahme dar. Nicht daß dieser Teil übersichtlich und leicht zu lesen, noch überall gleich gut abgewogen wäre - dafür ist er anregend, tiefschürfend und komplex. Bei einem solchen Unterfangen darf man keinen einzigen roten Faden verlieren, sondern viele Fäden müssen ent- wirrt und entknäuelt werden. Im Mittelpunkt dieser sozialen und humanen Sprachgeschichte steht die deutsche Sprache nicht isoliert und abstrakt im Sinne eines komplexen Sprachsystems, sondern die Sprecher mit ihren Belan- gen und ihrer Voreingenommenheit werden einbezogen - es handelt sich also um "eine soziopragmatische Sprachgeschichtsauffassung" (S. 2). Die Bezie- hungen zwischen der Sprachentwicklung und der gesellschaftlichen Entwick- lung, mit der Mentalität als drittem Winkel in der geistigen Triangulation, bestimmen den Forschungsgegenstand. Es werden Etappen, Kapitel, Unterab- teilungen interpretatorisch zusammengelegt, die je nach Leser auch andere Formen und andere Gestalt annehmen können / könnten. Dabei ist jeder the- matische Abschnitt des vorliegenden Bandes mit der relevanten Sekundärlite- ratur aufgearbeitet, obwohl die Abschnitte gerade nicht als Bausteine des überragenden Gebäudes anzusehen sind, da diese Metapher zu statisch ist. Die zahlreichen Unterkapitel fügen sich zwar überzeugend zusammen, aber sie liefern Anregungen und Ausgangspunkte zu einer dynamischen Auseinan- dersetzung mit der neueren deutschen Sprachgeschichte. Die offene Form ist hierfür das Nächstliegende und so hat die Struktur des Buches selbst ihre Berechtigung. Weitgehend ausgeklammert bleiben die Geschichte der Germa-
nistik, die Geschichte des Deutschunterrichts, die germanistische Lexikogra- phie und Grammatikographie. Gleichzeitig stellt dieses Buch ein Stück For- scher(auto)biographie dar, weil von Polenz nicht nur Berge an Sekundärlitera- tur bewältigt (die Bibliographie, ohne Handbuchartikel, erstreckt sich über 158 Seiten, S. 577-735), sondern auch in zahlreichen Veröffentlichungen Wichtiges beigetragen hat, gelegentlich sogar seine eigenen Erfahrungen hin- zuzieht (S. 552, 556).
Die Struktur des Buches folgt dem Muster der früheren Bände und ver- bindet geschickt Fragen der Sprachentwicklung mit denen der Sprachverwen- dung: Das chronologische Prinzip wird durch die Thematisierung sprachlicher Varietäten und deren Pragmatik aufgebrochen. Jedes Kapitel wird durch al- phabetische Siglen weiter unterteilt. Nach einer Einführung (6.0) zur Periodi- sierung und zu...