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Von postpartaler Depressivität sind 10–15 % aller Frauen nach einer Entbindung betroffen. Eine behandlungsbedürftige postpartale Depression (PPD) entwickelt sich daraus bei etwa der Hälfte der Betroffenen. Was wissenschaftlich und klinisch schon lange bekannt ist, bekam erst durch Selbsterfahrungsberichte Prominenter (z. B. Brooke Shields „Ich würde dich so gerne lieben“ 2006 [11]) Anfang der 2000er-Jahre mehr Präsenz in der öffentlichen Wahrnehmung.
Im stationären Krankenhausbereich ist man als Frauenärztin/Frauenarzt eher mit dem sog. Babyblues der Wöchnerinnen konfrontiert als mit den Symptomen einer PPD. In einigen Fällen zeigen sich jedoch direkt nach der Entbindung deutliche depressive Symptome. Zudem kann die Kenntnis über Diagnostik und Behandlungsstrategien wichtig sein, wenn es um das peripartale Management psychisch vorerkrankter Frauen geht bzw. um die Beratung bezüglich weiterer Schwangerschaften oder auch Geburtsmodi [8].
Niedergelassene Frauenärztinnen/Frauenärzte sollten vor allem beim ersten postpartalen Kontrolltermin aufmerksam für psychische Symptome sein. Zu diesem Zeitpunkt (6–8 Wochen post partum) sind depressive Symptome in der Regel schon deutlich erkennbar. Mit der EPDS (Edinburgh Postnatal Depression Scale) steht ein einfach einzusetzendes Screeninginstrument zur Verfügung. Wird darin eine deutliche psychische Belastung sichtbar, ist es ratsam, frühzeitig nach weiteren Faktoren wie sozialer Unterstützung durch Partner, Angehörige und Freunde oder bereits bestehenden psychosoziale Hilfen zu fragen. So können weitere notwendige Behandlungsschritte früh in die Wege geleitet werden. Generell gehört zur Schwangerenberatung und -betreuung auch die frühzeitige und gründliche Anamnese von psychischen Vorerkrankungen und sonstigen Belastungsfaktoren.
Im Leben von Frauen ist die postpartale Zeit mit dem höchsten Risiko einer psychischen Erkrankung und auch Hospitalisierung wegen einer psychischen Störung verbunden [3, 4]. Depressionen machen dabei den größten Anteil aus. Wegen der eventuell damit einhergehenden langfristigen Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder bzw. der Gesamtfamilie ist das frühzeitige Erkennen und Behandeln von besonderer Bedeutung.
Postpartal ist die Vulnerabilität für psychische Erkrankungen besonders ausgeprägt
Da die Symptomatik sich häufig intensiv mit der veränderten Lebenssituation und deren Auswirkungen vermengt, bleibt das Erkennen einer PPD nicht immer einfach. Psychische Instabilität und emotionale Turbulenzen gehören durchaus zum „normalen“ Anpassungsprozess nach einer Entbindung. Die Kernsymptomatik stellt sich häufig in dem Insuffizienzerleben als Mutter dar, daneben können alle depressiven Symptome incl. Angst- und Zwangssymptome vorkommen.
Erklärungsmodelle und Risikofaktoren
Nach einer Entbindung können prinzipiell alle bekannten psychischen Störungen, also Psychosen, affektive Störungen (manische, depressive Episoden), Angst- und Zwangserkrankungen etc. auftreten, insbesondere, wenn bereits eine Vulnerabilität