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Alber,Erdmute: Soziale Elternschaft im Wandel. Kindheit, Verwandtschaft und Zugehörigkeit in Westafrika. 427 Seiten. Berlin: Reimer 2014. ISBN 978-3-496-02868-0.
Obwohl die Ethnologie der Kindheit noch immer ein etwas stiefmütterlich behandeltes Gebiet innerhalb der Ethnologie ist, hat sie in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. Noch selten sind jedoch Monographien, die sich auf der Basis eines ethnographischen Fallbeispiels theoretisch mit Fragen der Kindheitsethnologie befassen, wie das hier zu besprechende Werk von Erdmute Alber.Auf der Basis von 20 Jahren Feldforschung bei den Baatombu in Benin untersucht sie das für Westafrika oft hervorgehobene Phänomen der Kindspflegschaft oder -aus komplementärer Sicht -sozialen Elternschaft sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum und in theoretischer wie auch in historischer Perspektive. Die Untersuchung dieses Phänomens ist nicht zuletzt darum so bedeutsam, weil es die Selbstverständlichkeit in Frage stellt, dass Kinder bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen und entsprechend Elternschaft und Kindheit überall dasselbe bedeuten.
Albers Werk gliedert sich in vier Teile. In der Einleitung werden zuerst die Baatombu, insbesondere ihre Sozialstrukturen, Sozialbeziehungen und Verwandtschaftstermini, kurz vorgestellt und dann ausführlich der Verlauf der Forschung und die angewandten Methoden geschildert. Dievon Spittler zur Beschäftigung mit Arbeit geforderte "dichte Teilnahme" ergänzt Alber zum Zweck ihrer Untersuchung um eine moralische und eine emotionale Dimension, die sie durch Übernahme einer sozialen Elternschaft selbst erfahren konnte.
Diefolgenden drei Hauptteile der Studie können nach Alber auch einzeln gelesen werden. Zudem hat sich die Autorin bemüht, ein Buch zu schreiben, das "auch für jene lesbar ist, die an spezifischen ethnologischen Debatten weniger interessiert sind" (S. 13). Diesen Anspruch löst Alber mit einem sinnvollen Aufbau, einer verständlichen Sprache und anschaulichen Beschreibungen ein, wobei sie sich gleichermaßen bemüht, Betroffene ausführlich zu Wort kommen zu lassen und den jeweiligen Kontext einzuarbeiten. Für den ethnologisch vorgebildeten Leser mag Albers Werk zwar da und dort etwas gar ausführlich sein, etwa wenn die Autorin fast eine halbe Seitebraucht, um zu erklären, dass Männer Jungen und Frauen Mädchen aufgrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in Pflegschaft nehmen. Die Ausführlichkeit bietet jedoch die Möglichkeit, Alternativen zu Albers Interpretationen...