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«Les mots ne sont jamais tout à fait séparables des choses» (M. Bloch, Les rois thaumaturges)
Inschriften senden seit jeher Botschaften aus, die den öffentlichen Raum mitbestimmen und mitunter ideologisch aufladen. Angesichts der mittlerweile zahlreichen Spezialunter- suchungen zu dem Thema «Faschismus in Südtirol» mag es überraschen, dass von zwei lateinischen Inschriften am Siegesplatz in Bozen bisher bestenfalls am Rande Notiz genom- men wurde. Im repräsentativen Zentrum und urbanen Herzen der von den Faschisten aus dem Boden gestampften «Città nuova» ließ man an zwei Gebäuden am Siegesplatz zwei berühmte Zitate aus der römischen Literatur anbringen: das imperiale Credo tu regere im- perio populos aus Vergils Aeneis und die dritte Strophe des Horazischen Carmen saeculare.
In diesem Beitrag sei der Versuch unternommen, diese Inschriften architektonisch, phi- lologisch und ideologiegeschichtlich zu verorten, um dadurch einerseits das Verständnis für die faschistische Politik in Südtirol zu vertiefen, andererseits die Diskussion um die Instru- mentalisierung der römischen Antike durch das faschistische Regime um eine weitere Fa- cette zu bereichern.
Nachdem es den Faschisten unter Benito Mussolini im Oktober des Jahres 1922 gelungen war, in Italien durch einen Staatsstreich die Macht an sich zu reißen, begannen sie in dem mehrheitlich von einer österreichischen Bevölkerung bewohnten Südtirol eine drastisch- brachiale Majorisierangs- und Italianisierangspolitik, die alle Bereiche des gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens umfasste.1 Besonderes Augenmerk galt dabei der Lan- deshauptstadt Bozen, die man in einem mächtigen architektonischen Entwurf zu einer «neuen Stadt» umgestalten wollte.
Wie in anderen Städten Italiens2 sollte auch in Bozen, dem nördlichsten Bollwerk des Faschismus, mithilfe der Architektur und deren Symbolsprache die Omnipräsenz und Omnipotenz des Regimes machtvoll demonstriert werden. Mittels pompöser Baupro- gramme wollte die regierende Elite ihre Staats- und Parteiideologie transportieren und le- gitimieren. In der damals auch in architektonischer Hinsicht gänzlich altösterreichisch ge- prägten Stadt an der Talfer sollte ein derartiges Unterfangen besondere Wirkung entfalten.3
Bei dem Versuch, der Provinzhauptstadt Bozen ein neues architektonisches Kleid anzu- legen, spielte der Rückgriff auf das imperiale Rom der Antike, besonders der augusteischen Zeit, eine besondere Rolle.4 Geleitet von der Intention, das glorreiche imperium Romanum Wiedererstehen zu lassen,5 trachteten die Faschisten danach, Relikte der einstigen römi- schen Besiedlung des Gebietes in Erinnerung zu rufen sowie römisch-imperiale Elemente und Symbole in der Architektur und ihrer Formensprache zu neuem Leben zu erwecken.6...