Abstract
Stefan Simonek
Western Pop-Culture in Contemporary Ukrainian Literature
The paper offers a close reading of three Ukrainian novels by Yuri Andrukhovych, Serhiy Zhadan, and Lyubko Deresh in order to demonstrate, how main elements of Western pop-culture are shifted into a different Central and East European context. As a result, it becomes clear that contemporary Ukrainian fiction uses these elements, but does by no way intend simply to imitate Western traditions of pop-culture; on the contrary, Western pop-culture in a radical way is re-shaped by the three Ukrainian writers in order to put into the foreground their own different artistic notions. In his novel Twelve Rings, Andrukhovych, for example, confronts Western consumerist culture, the former ussr, and Central Europe. Serhiy Zhadan in Depeche Mode again demonstrates the gap between Western pop-culture and the Eastern Ukraine by means of a radio-feature, which misinforms the Ukrainian listeners about the band "Depeche Mode" in an utmost strange way, and Lyubko Deresh in his novel Adoring the Lizard, finally, depicts the everyday live of younger people in Gali- cia, who primarily are interested in bands like "King Crimson" or "Jethro Tull" and, therefore, do not stick to the latest trends as proposed by Western pop-culture.
Keywords
Pop-Culture; Ukrainian Literature.
(ProQuest: ... denotes non-US-ASCII text omitted.)
Die folgenden Überlegungen sind primär zwei gegenläufigen Phänomenen ge- schuldet: auf der einen Seite der Vorstellung einer dank der Neuen Medien radikal flu- iden, beweglichen und globalisierten Form von Pop- und Konsumkultur, die durch Vermittlungsinstanzen wie Internet und "You Tube" weltweit simultan abrufbar ist und deren funktionale Logik den Gesetzen von Kapital ismus und Kommerz unterliegt; auf der anderen Seite dem (gerade auch von der Philosophie der Postmoderne prävalierten) Ansatz mehrerer nebeneinander existierender, pluraler und in ihrer Reichweite regional begrenzter "kleiner" Erzählungen, die gerade aufgrund ihrer nur relativen Gültigkeit den totalitären Wahrheitsanspruch der "Großen Erzählungen" der Moderne herausfordern. Diese von Jean-François Lyotard in seinem Grundlagentext Das postmoderne Wissen (Lyotard 1999) entworfene Konstellation ist bekannterweise gegen die emanzipatorischen Großerzählungen der Moderne, wie Wissenschaft und Fortschritt, gerichtet1 und hat mit der Thematik der Popkultur auf den ersten Blick nichts zu tun. Ein erhöhtes Maß an Rele- vanz gewinnt Lyotards Zuordnung jedoch spätestens dann, wenn man sich im spezifischen Kontext der ukrainischen Gegenwartsliteratur die Frage stellt, welche Position der Pop- und Konsumkultur westlicher Ausformung in dieser Systematik zuzuweisen ist - fungieren popkulturelle Elemente in den Texten jener drei maßgeblichen ukrainischen Autoren, von denen im Folgenden die Rede sein soll, als Ferment, das den monologischen Gültigkeits- anspruch der tradierten Hochkultur unterminiert, oder repräsentieren sie aufgrund ihrer globalen Verfasstheit gerade umgekehrt ein Meisternarrativ, dem es die "kleine" Wahrheit des lediglich regional Gültigen entgegenzuhalten gilt?
Es sind dies Fragen, die aus der Perspektive des französischen Phil osophen insofern ausgeschlossen bleiben müssen, als sich Lyotards Argumentation ganz vorrangig im Kon- text der kapital istisch geprägten westlichen Industriestaaten bewegt und sich von daher nicht der Frage aussetzen muss, was passiert, wenn die diskursive Logik des Postmodernen Wissens in andere, differierende Kontexte hineinverschoben wird. Dieser Kontextwechsel und die damit verbundenen Mechanismen einer grundlegenden Neupositionierung jener westlichen popkulturellen Elemente, die eben dieser Verschiebung unterliegen, sollen auch Thema dieses Beitrags sein - anhand von Textproben aus Romanen von Jurij Andruchovyc, Serhij Zadan und Ljubko Deres soll gezeigt werden, dass Pop- und Konsumkultur ungeach- tet ihrer scheinbar universalen Gültigkeit bei ihrer (gerade auch medial generierten) Rekon- textualisierung auf differierende Wertsetzungen treffen, mit diesen interagieren und letzt- lich gerade aus diesen semantischen Kollisionen ihrerseits dann neue Bedeutung freisetzen. Der Auswahl der drei auch vielfach ins Deutsche übersetzten und mehrfach aufgelegten ukrainischen Autoren mag dabei insofern paradigmatischer Charakter zukommen, als An- druchovyc und Deres für die galizisch-westukrainische Tradition, Zadan dagegen für die stärker russisch und sowjetisch geprägte Ostukraine stehen; zusätzlich dazu ergibt sich aus den entsprechenden Geburtsjahren 1960, 1974 und 1984 eine signifikante diachrone Achse von Autoren, die in ihren Texten ganz bewusst wechselseitig aufeinander Bezug nehmen2.
Die Romane und Essays von Jurij Andruchovyc erfreuen sich nicht nur großer Be- liebtheit von Seiten eines Publikums außerhalb der Ukraine, sondern auch besonderer Beachtung durch die Literaturwissenschaft, werden in ihnen doch spezifische Verfahren der Postmoderne in besonders elaborierter Weise zum Einsatz gebracht3; dies gilt vor- rangig auch für den 2003 veröffentl ichten und 2005 ins Deutsche übersetzten, in den Karpaten spielenden Roman Dvanadcjat' obruciv, dessen Titel intertextuell ein Gedicht von Bohdan-Ihor Antonyc, einem jung verstorbenen westukrainischen Lyriker der Zwi- schenkriegszeit, aufnimmt. In diesem Roman existiert nun eindeutig eine (wenn auch nur schwach ausgeprägte) Strategie des Autors, über wiederholt gesetzte Referenzsignale auf westliche Popmusik zu verweisen. Dies geschieht einmal über die direkte Nennung popu- lärer Bands und Sänger, wie etwa der "Doors" und deren charismatischen Frontmanns Jim Morrison (Andruchovyc 2003: 64, 279), daneben aber auch über das Zitieren von geläu- figen Refrains bekannter Popsongs; I Can't Get no Satisfaction von den "Rolling Stones" vermag hier als entsprechendes Beispiel zu firmieren (210)4.
Stets aber muss sich diese kulturelle Importware aus dem Westen in der Romanhand- lung gegenüber anderen Wertsetzungen behaupten: einmal nämlich gegen die Tradition der kanonisierten ukrainischen Literatur von Taras Sevcenko über Ivan Franko bis hin zu Antonyc, daneben aber auch gegen die russische Popmusik, die bei Andruchovyc stets mit dem Merkmal besonderer Primitivität und Plattheit versehen ist5. Und schließlich wird die westliche Popkultur noch mit der von Andruchovyc in seinen Büchern immer wieder aufgerufenen habsburgischen Vergangenheit Galiziens gegengeschnitten. Diese spielt in den Zwölf Ringen eine zentrale Rolle, fliegt der Geist des in den Karpaten ermordeten österreichischen Photografen Karl-Joseph Zumbrunnen am Schluss des Buches doch nach Wien, um ebendort den Ritus nachzuvollziehen, kraft dem die verstorbenen Habsburger Eingang in die Kapuzinergruft finden6 (womit sich gleichzeitig auch eine intertextuelle Ver- bindungslinie zu Joseph Roths Roman Die Kapuzinergruft eröffnet). Gleichsam als struk- tureller Gegenpol zur Evokation des Machtzentrums der Donaumonarchie am Schluss des Buches wird in Kapitel zwei zu Beginn ein typisch kakanischer Außenposten geschildert, nämlich eine kleine Bahnstation in den Bergen7. Diese wird nun ihrerseits zum Schauplatz gleich mehrerer miteinander konkurrierender Großnarrative - vor dem Hintergrund des über die Station selbst vermittelten österreichisch-ungarischen Erbes thematisiert der Au- tor nämlich direkt hintereinander einerseits die Hinterlassenschaften der Sowjetunion in Gestalt der offiziellen Insignien von Hammer und Sichel, daneben aber auch die global po- sitionierte, zum Getränkekonzern "Coca-Cola" gehörende Limonadenmarke "Sprite" und deren bekannten englischsprachigen Werbeslogan "Obey your thirst" (der hier freilich in ukrainischer Übersetzung präsentiert wird): "Tak, zvisno: rel'jefni serp i molot nad dve- ryma z peronu do pocekal'ni i napivzir vana reklama ,Sluchajsja svojeji sprahy' de-nebud'" (Andruchovyc 2003: 37). Westliche Pop- und Konsumkultur haben inzwischen also auch in die abgelegenen Täler der Karpaten siegreichen Einzug gehalten und dort augenschein- lich die Sowjetideologie abgelöst8.
Freilich wird auch diesem Ensemble wiederum ein Konkurrenznarrativ in Gestalt des mitteleuropäischen Habsburger-Mythos an die Seite gestellt, als dessen Zeuge der bekann- te tschechische Nachkriegsautor Bohumil Hrabal fungiert, der sich gerade in den mittel- europäischen Literaturen (etwa bei dem ungarischen Schriftsteller Péter Esterházy) beson- derer Beliebtheit als kultureller Referenzgröße erfreute:
...
Es ist hier nicht der Ort, dieses Zitat des tschechischen Autors zu verifizieren oder die Relevanz der Donaumonarchie in Hrabals Werk darzulegen (ein Hinweis auf Hrabals ständig von der k. u. k.-Armee schwadronierenden Onkel Pepin in der Trilogie Mestecko u vody mag an dieser Stelle genügen). Wesentlich für unser Thema ist vielmehr der Umstand, dass Andruchovyc an dieser Stelle seines Romans über Pop- und Konsumkultur ein glo- bal funktionierendes Narrativ mit einem Regionalismus mitteleuropäischer Ausprägung konfrontiert10. Die zu Beginn des Beitrags angesprochene Rekontextualisierung popkul- tureller Segmente manifestiert sich hier also - anders als dann bei Zadan und Deres - weniger in einer medial generierten Übertragung oder einer Veränderung in räumlicher Hinsicht, sondern darin, dass sich das popkulturelle Narrativ mit anderen, kleinräumiger ausgerichteten Diskursen konfrontiert sieht - dass diese Konstellation ihrerseits dann vor dem Hintergrund einer über Bohumil Hrabal evozierten "kleinen" Wahrheit die Popkul- tur in die Position von Lyotards "Großer Erzählung" einrückt, sei an dieser Stelle min- destens als Möglichkeit vermerkt.
Einen im Vergleich zu Andruchovyc gänzlich anderen Schauplatz zeigt Serhij Zadan in seinem 2004 veröffentlichten Roman Depeche Mode, in dem eine Handvoll Jugendli- cher durch die ostukrainische Metropole Charkiv und deren Umgebung streift; analog zu diesem Roman knüpft Zadan auch in einigen anderen Prosatexten bereits über den jewei- ligen Titel unmittelbar an die westliche Popkultur an - so ruft der Titel Big Mac in wohl bewusst gewählter Polyvalenz nicht nur Erzeugnisse des Fastfood, sondern primär eine gleichnamige Nummer des amerikanischen Jazzmusikers Buddy Rich auf, Anarchy in the UKR wiederum verschränkt die Evokation der Ukraine mit dem Song Anarchy in the U.K., der ersten, skandalumwitterten Single der englischen Punkband "The Sex Pistols". In De- peche Mode wiederum lässt sich die Problematik der medialen Vermittlung von popkultu- rellen Versatzstücken aus dem Westen besonders deutlich nachvollziehen, schildert Teil zwei des Romans doch detailliert die Übertragung einer Rundfunksendung über die eng- lische Popgruppe "Depeche Mode", wobei Zadan11 anhand dieser Übertragung pars pro toto die Probleme des Kontextwechsels von Popkultur demonstriert; der Autor variiert in dieser Hinsicht eine analoge, ebenso breit ausgefaltete Passage vom Anfang seines Textes, in der ein US-amerikanischer Erweckungsprediger versucht, sein ukrainisches Publikum von der Bühne herab mitzureißen, dabei freilich auf eine Übersetzerin angewiesen ist, die seine Predigt teilweise völlig sinnentstellt wiedergibt (Zadan 2009: 31-35)12. Parallel zu die- ser Problematik einer bisweilen den Bereich des Grotesken streifenden Fehlübersetzung werden nun auch in Teil zwei des Romans zuerst einmal mehrfach die medialen Vermitt- lungsinstanzen problematisiert - bei dem Radiogerät, das die Jugendlichen hier in Betrieb nehmen, handelt es sich ganz offensichtlich um ein ausgesprochen antiquiertes Modell aus der Generation der Großeltern (152), daneben wird die erwähnte Rundfunksendung selbst immer wieder durch Übertragungsstörungen beeinträchtigt13, und schließlich muss sich auch der Radiosprecher auf ein offensichtlich fehlerhaft übersetztes Skript stützen, womit auch ein Konnex zur Predigt am Beginn des Romans generiert wird.
Eingerahmt von diesen prekären medialen Übertragungsbedingungen erweist sich dann auch die Darstellung der Band "Depeche Mode" als radikale Neukonfiguration zum Einen von Parametern der europäischen Geschichte in einem breiteren Kontext und zum Anderen der Geschichte der Band selber14. Unter diesen Prämissen verwandeln sich historische Daten und Fakten in Spielmaterial der Popkultur insgesamt, gleichzeitig vermag Zadan aber so auch die Problematik eines grundsätzlichen, medial transportierten Wechsels popkultureller Ele- mente aus dem Westen in einen postsowjetischen Kontext hinein zu veranschaulichen: Eine irische Hafenstadt namens Ulster, so erfährt man aus dem Radio, ist von britischen Kolonial- truppen besetzt, und irische Separatisten marschieren am Ersten Mai durch die katholischen Bezirke der Stadt (154f.) - sämtlich Splitter aus irischer Geographie und Geschichte, die auseinandergenommen und in Form eines Remix15 neu zusammengesetzt worden sind (so existiert zwar eine irische Provinz, allerdings keine Stadt namens Ulster). Entsprechend dem Hintergrund dieser Angaben ist auch die Bandgeschichte, wie sie in der Radiosendung unter Verweis auf eine angebliche Studie mit dem Titel Boh jak riznovyd herojinu präsentiert wird (154), in ein Narrativ von Unterdrückung und Aufstand eingepasst; für letzteres wird unter Anderem auch Lev Trockij als Referenzgröße ins Spiel gebracht (164).
Überprüft man nun die Stichhaltigkeit der Namen und Daten, die in Verbindung mit der Band "Depeche Mode" in der Radiosendung gebracht werden, so zeigt sich, dass die Titel des ersten, kommerziell ausgesprochen erfolgreichen Albums Speak and Spell sowie der Single I Feel You inklusive des zitierten Songtextes korrekt wiedergegeben sind (161, 164), freilich sticht - und dies wiederum im Zeichen von Übersetzung und Kontextwech- sel popkultureller Versatzstücke - der Umstand ins Auge, dass der Titel der Single im eng- lischen Original, jener des Albums dagegen mit einem gewissen verfremdend-komischen Effekt als Hovory ta zapysuj angeführt wird16. Die Angaben zu den Bandmitgliedern so- wie die Charakterisierung der Band insgesamt stehen in ihrer Kombination von Dichtung und Wahrheit dagegen offenbar für die von Zadan hervorgekehrte Permutation popkul- tureller Wertsetzungen als Folge ihrer Neukontextualisierung in einem osteuropäischen, postsowjetischen Rahmen: Bei "Depeche Mode" handelt es sich natürlich nicht, wie in der Radiosendung behauptet, um eine irische Volksmusikgruppe (154), sondern um eine englische Synthie-Pop-Formation; der angeblich 1962 in Ulster geborene Sänger der Band, Dave Han (154), heißt in Wirklichkeit Dave Gahan und wurde zwar tatsächlich 1962, je- doch in England geboren; hinter der sympathischen Blondine namens Martine Gore, der Dave im Herbst 1980 in einem Hafenbordell in Ulster begegnet sein soll (160), verbirgt sich in Wahrheit Martin Gore, der Keyboarder der Band17.
Zusätzlich unterstreicht Zadan die semantischen Veränderungen, die mit der me- dialen Vermittlung des Gründungsmythos von "Depeche Mode" einhergehen, noch da- durch, dass die Band in der Radiosendung kein einziges Mal mit ihrer eigenen Musik prä- sent ist. Stattdessen wird immer wieder das Instrumentalstück Lyst do mamy eines gewissen Stepan Haljabarda eingespielt, das als Kontrastfolie zu "Depeche Mode" ganz offensicht- lich für den um die Ukraine getriebenen Mutterkult steht und so die Divergenz zwischen globalen Elementen der Popkultur und national verorteten Diskursen unterstreichen soll. Im Unterschied zu Mitteleuropa, das bei Jurij Andruchovyc in der Figur Bohumil Hrabals als gleichrangiger Antipode zur Konsumkultur des Westens funktionalisiert wird, kann Zadans über Stepan Haljabarda evoziertes Klischeebild des ukrainischen, die Mutter ver- herrlichenden Barden freilich nicht als echte Alternative zum popkulturellen Narrativ der Band "Depeche Mode" fungieren.
Bei dem dritten und letzten Text, von dem hier abschließend noch die Rede sein soll, handelt es sich um den 2002 veröffentlichten Roman Pokloninnja jascirci von Ljub- ko Deres18. Der junge, aus der Westukraine stammende Autor kombiniert in seinem Ti- tel in gewisser Hinsicht die literarischen Verfahren seiner beiden älteren Kollegen, stellt Die Anbetung der Eidechse doch ebenso eine intertextuelle Anspielung dar wie die Zwölf Ringe von Andruchovyc; freilich ist diese nun nicht mehr auf die ukrainische Hochkul- tur hin orientiert, sondern analog zu Zadan auf die westliche Popmusik, konkret auf Jim Morrisons umfangreichere Komposition The Lizard King 19. Ähnlich wie Zadan schildert auch Deres das Leben Jugendlicher, allerdings nicht vor dem Hintergrund der ostukrai- nischen Großstadt Charkiv, sondern im abgeschiedenen fiktiven Städtchen Midni Buky in den Karpaten. Die Abgeschiedenheit und Enge des Kleinstadtlebens im Gebirge evo- ziert Deres in seinem Roman unter Anderem auch über das Motiv der Mauer, das im Text mehrfach aufgerufen wird, so etwa unmittelbar am Ende des Romans als Mauer zwischen der spezifischen Lebenswelt der jugendlichen Protagonisten und den davon abweichenden Vorstellungen der Erwachsenen20 Seine popkulturelle Orientierung erfährt das Motiv da- neben noch durch den Verweis auf den Film The Wall der englischen Band "Pink Floyd", der auf dem gleichnamigen, kommerziell ungemein erfolgreichen Doppelalbum der Grup- pe beruht21. Interessant für unser Thema der Kontextverschiebung von Popkultur sind nun im Falle von Deres nicht so sehr die Konfrontation divergierender Wertsetzungen wie bei Andruchovyc' kleiner Bahnstation oder Probleme der medialen Vermittlung wie bei Zadans Rundfunkübertragung , sondern ganz konkret der Weg von popkulturellen Bild- und Tonträgern in die Westukraine: Der Film The Wall etwa kommt zusammen mit einem weiteren Streifen über die "Doors" mit dem Brief einer Tante aus Toronto per Post nach Midni Buky, wodurch die ukrainische Diaspora in Übersee und die Abgeschiedenheit der galizischen Kleinstadt zueinander in Relation gebracht werden22.
Eröffnet der Film The Wall auf diese Weise größere geographische Dimensionen, so evozieren die zu Beginn des Romans erwähnten Tonträger der jugendlichen Protagonisten eine stärker regionale Komponente, denn die Kassetten mit Musik von Bands wie "Iron Maiden", "Judas Priest" oder "AC/DC" werden in Polen im Tausch gegen gefälschte Jeans der Marke "Levi's" erworben; diesen wiederum sind zuvor in Heimarbeit in Midni Buky mithilfe einer "Singer"-Nähmaschine gefälschte Etiketten aufgenäht worden (Deres 2007: 8). Später tauscht Mis'ko, der jugendliche Hauptheld des Romans, seine "Iron Maiden"- Kassetten dann in Lemberg gegen solche von "Pink Floyd" und "Jethro Tull" ein. Zieht man nun die beiden Sequenzen aus dem Roman Die Anbetung der Eidechse zusammen, so bel egen sie deutlich den Unt ers chied zu einer mobilen und globalen Vermittlung von Popkultur über die Kanäl e der Neuen Medien: Im Zeichen einer postsowjetischen Mangelwirtschaft dominieren bei Ljubko Deres nämlich der regionale Tauschhandel und eine Form von Produktpiraterie, die durch traditionelles heimisches Handwerk in gewis- ser Weise wieder aufgewertet wird. Aber auch die materiellen Träger der Popkultur selbst unterscheiden sich hier signifikant von denjenigen, die man in anderen (auch slawischen) Popromanen wie etwa Dorota Maslowskas Paw królowej23 oder Barbi Markovic' Izlazenje finden kann: Statt um Videospiele, PCs oder Handys geht es in der Anbetung der Eidechse um relativ altmodische mediale Techniken wie Musikkassetten und Filmstreifen, die sich der popkulturellen Hypostasierung des Modischen und Aktuellen auch insofern zusätzlich verweigern, als sich die jugendlichen Helden von Deres zum Abspielen des Films The Wall den Filmprojektor von Dzvinkas Vater ausborgen müssen (131).
Zusätzlich dazu springt in Deres' Roman aber auch der Umstand ins Auge, dass Mis'kos Musikgeschmack ganz offensichtlich nicht auf Aktualität abzielt, ganz im Ge- genteil - der Tausch von "Iron Maiden" gegen "Pink Floyd" und "Jethro Tull" kann auch als a-chronologischer Tausch von Pop- und Rockmusik der Achtziger gegen jene der spä- ten Sechziger und der Siebziger Jahre interpretiert werden. Auch diese Erscheinung läuft der im westlichen Kontext dominierenden "großen Erzählung" über absolut gesetzte Ak- tualität und Neuheit (vermittelt als Jugendl ichkeit) von Popkultur diametral entgegen und setzt dem global operierenden, letztlich aber von kapitalistisch-westlichen Strukturen geprägten popkulturellen Paradigma (anal og zur Bahnstation in den Zwölf Ringen von Jurij Andruchovyc) kleinere, regional verfasste Parameter kulturellen Handelns entgegen. Diese mögen nun aus einer westlich präformatierten Perspektive heraus als deviant erschei- nen, eröffnen aber gerade aus ihrer jeweiligen Abweichung heraus den Protagonisten neue, als individuell und für die eigene (jugendliche) Lebenswelt stimmig wahrgenommene Op- tionen. Das Interesse, das die Jugendlichen um Mis'ko herum in der Anbetung der Eidechse ausgerechnet amerikanischen und englischen Bands wie den "Doors" oder "King Crimson" entgegenbringen, kann durchaus als eine dem Aktualitätsdogma von Popkultur zuwider- laufende Strategie der Re-auratisierung älterer, nicht mehr aktueller popkultureller Wert- setzungen interpretiert werden. Schließlich sind diese Gruppen inzwischen selbst bereits wieder hoch kanonisiert in das Pantheon der Popmusik eingegangen und haben auf ihren Alben teilweise auch längere, musikalisch komplex gehaltene Kompositionen veröffent- licht24. So betrachtet, erscheint die Vorliebe gerade für ältere Phänomene der Popkultur im Freundeskreis von Mis'ko in Bezug auf popkulturelle Wertsetzungen aus dem Westen eine ähnlich subversive Praxis darzustellen wie die Unterwanderung des (westlichen) Marken- fetischismus durch das zuvor erwähnte (mittelosteuropäische) Fälschen von "Levi's"-Jeans in Midni Buky25.
Ganz offensichtlich sind es also abschließend gesagt gerade jene Elemente des Anachronistischen, sich dem Aktualitätsdogma von Popkultur ganz offensichtlich Verwei- gernden, die den ästhetischen Anspruch der Anbetung der Eidechse mit bedingen. Die Ge- genprobe dazu liefert Deres' im Jahr 2006 erschienener und so wie zuvor schon Kul't und Poklonninja jascirci auch relativ rasch ins Deutsche übersetzter Roman Namir!, der nun all das zu bieten hat, was von Popkultur füglich erwartet werden kann, wie etwa Disc Jockeys oder eine global von Manhattan bis Lemberg vernetzte junge Künstlerin (die freilich über ihre lemkische Herkunft wiederum einen deutlichen Vektor zum Regionalen generiert). Schenkt man freilich deutschen Kritiken Glauben, so hat dieser den Schritt in eine popkul- turelle Gegenwart vollziehende Roman im Vergleich zu den beiden früheren, in Midni Bu- ky spielenden Büchern des Autors, Kult und Die Anbetung der Eidechse, ganz offensichtlich deutlich an literarischer Aussagekraft eingebüßt26. Aus dieser Perspektive scheint es nicht nur in Andruchovyc' Zwölf Ringen, wo dies ohnehin nicht zu erwarten war, sondern auch in Zadans Depeche Mode und Deres' Anbetung der Eidechse (in belletristischen Texten mit- hin, die der Popkultur insgesamt deutlich näher stehen als der Roman von Andruchovyc) in letzter Konsequenz nicht wirklich um eine vollständige Verwirklichung des westlichen popkulturellen Paradigmas und damit letztlich um die Unterwerfung unter ebendieses zu gehen. Vielmehr resultiert die ästhetische Relevanz dieser drei Romane aus den diversen medial, axiologisch und ökonomisch bedingten Übertragungsstörungen, die sich bei der Vermittlung von westlicher Pop- und Konsumkultur in die Ukraine offenbar einstellen.
Auf methodologischer Ebene und in Rekurs auf die in diesem Beitrag angesproche- nen zwei theoretischen Ansätze von Jean-François Lyotard und Lev Manovich würde dies wiederum bedeuten, dass jegliche auf Hegemonie abzielende Großerzählung mit einer ge- wissen Vorhersagbarkeit (mindestens) eine von differierenden kulturellen Wertsetzungen ausgehende "kleine" Erzählung hervor treibt, die den monologischen Wahrheitsanspruch der ersteren herausfordert - und dies offenbar auch dann, wenn es sich bei der erwähnten Großerzählung um ein von sich heraus a-hierarchisch und fluid gehaltenes Phänomen wie eben die Popkultur handelt; unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Bahnstation in Andruchovyc' Zwölf Ringen auch als Knoten- und Konfliktpunkt eines mitteleuropä- ischen (die Reminiszenz an Bohumil Hrabal), eines sowjetischen (die Insignien von Ham- mer und Sichel) sowie eines kommerziellen (das Werbeplakat für "Sprite") Metanarrativs. Medientheoretisch und mit der Begrifflichkeit von Lev Manovich betrachtet, ließe sich der Begriff "Remix" ins Spiel bringen, belegen doch sowohl Serhij Zadan als auch Ljubko Deres für die fiktive galizische Kleinstadt Midni Buky wie für die ostukrainische Metro- pole Charkiv gerade anhand von Popgruppen wie "Depeche Mode" oder "Pink Floyd" den Prozess der Übertragung und Neuabmischung kultureller Wertsetzungen unter jeweils anderen, regional gültigen Parametern. Die drei Romane von Andruchovyc, Zadan und Deres sind (wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß) gerade nicht von der affirmativen und einseitigen Übernahme westlicher popkultureller Positionen, sondern eher von de- ren spezifischer Rekonfiguration in einem neuen und geänderten ukrainischen Kontext geprägt - es sind also nicht die reibungslos verlaufenden De- und Rekodierungsprozesse von Information, die in den drei Texten im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die mit diesen Prozessen verbundenen Hindernisse und Nebengeräusche (die in Zadans Depeche Mode tatsächlich aus dem Radiogerät dringen). Dieser Umstand freilich lässt sich wieder- um auf einen methodologischen Nenner bringen, bemisst Jurij Lotman zu Beginn seiner Studie Kultur und Explosion doch den Wert übersetzter Information gerade nicht an der Einfachheit, sondern im Gegenteil an der Schwierigkeit des Übersetzungsprozesses:
Mehr noch, je schwieriger und inadäquater die Übersetzung eines sich nicht überschnei- denden Raums in die Sprache des anderen ist, desto wertvoller wird die Tatsache dieser paradoxen Kommunikation in informativer und sozialer Hinsicht. Man kann sagen, die Übersetzung des Nicht-Übersetzbaren ist Träger hochwertiger Information (Lotman 2010: 13).
1 "Die große Erzählung hat ihre Glaubwürdigkeit verloren. [...] bleibt die Beziehung der angesprochenen Tendenzen zum Niedergang der vereinheitlichenden und legitimierenden Macht der großen Spekulations- und Emanzipationserzählungen zu erklären" (Lyotard 1999: 112f.).
2 So steuerte Jurij Andruchovyc etwa zur deutschen Ausgabe von Zadans Lyrikband Istorija kul'tury pocatku stolittja (1993) ein in der ukrainischen Originalausgabe nicht enthaltenes Nach- wort bei (Andruchovyc 2006a); in Ljubko Deres' Roman Poklonninja jascirci wiederum wird im ersten Teil nicht nur der Gedichtband Ekzotycni ptachy i roslyny von Jurij Andruchovyc ungenau als Ekzotycni ptachy ta roslyny erwähnt, in der Bemerkung "Scob vona mohla na nic mene zakolysu- vaty Andruchovycem cy Antonycem ..." (Deres 2007: 35) werden sogar explizit der Autor sowie die zentrale intertextuelle Bezugsgröße von Andruchovyc' Roman Dvanadcjat' obruciv angeführt.
3 Vgl. dazu etwa den mit "Bu-Ba-Bu" post mortem überschriebenen entsprechenden Ab- schnitt in Tamara Hundorovas wichtiger Monographie zur ukrainischen postmodernen Literatur (Hundorova 2005: 193-215) bzw. Andryczyk 2005.
4 Für die Vermittlung des Bandes möchte ich mich an dieser Stelle bei Alois Woldan (Wien) herzlich bedanken (S. S.).
5 Zur russischen Popmusik in den Zwölf Ringen vgl. (neben einigen weiteren entsprechen- den Belegstellen) Andruchovyc 2003: 205, 236, 238. - Die starke Skepsis, die Andruchovyc der so- wjetischen Kultur generell entgegenbringt, tritt überdeutlich auch in den nonfiktionalen Texten des Autors hervor. So kommentiert Andruchovyc in einem knapp gehaltenen Essay, der im Zuge der ukrainischen Präsidentenwahlen des Jahres 2004 geschrieben wurde, einen Sieg des in der Ostukrai- ne populären, prorussisch orientierten Kandidaten Viktor Janukovyc mit folgenden, geradezu apo- kalyptisch anmutenden Befürchtungen in kultureller Hinsicht: "The victory of Yanukovych would be the final triumph in our cultural space of a primitive unidimensionality: of tiresome Russian pop music, innumerable Russian TV serials, in which the 'good bandits' destroy the 'bad bandits', of empty talk shows and so called 'evenings of humour'. With regard to 'high culture', the return to old Soviet standards with patriotic decorations, army marches, films of the Stalin era, choirs, orchestras, and the cult of the personality of Father-Dictator" (Andruchovyc 2005: 256). Es scheint bezeichnend, dass die Bipolarität von Russischem und Sowjetischem bei Andruchovyc (wie im Zi- tat deutlich ablesbar) jegliche Genese kultureller Wertsetzungen a priori unmöglich macht, steht der platten russischen Popkultur in Form von Musik und TV-Serien hier doch kein Refugium ei- ner genuinen Hochkultur, sondern lediglich deren (graphisch durch Anführungszeichen auch ent- sprechend markiertes) sowjetisches Zerrbild als Alternative gegenüber.
6 Zur Figur dieses österreichischen Photographen im mitteleuropäischen Kontext vgl. Kostjuk 2008: 81-85.
7 Vgl. zur (auch visuell per Photographie aufbereiteten) Darstellung des Bahnwesens in Ga- lizien vor dem historischen Hintergrund der Donaumonarchie Prochas'ko et al. 2007.
8 Die häufige Nennung globaler und prestigereicher Marken zur Konturierung der Lebens- welten der meist jungen Protagonisten ist auch ein zentrales Merkmal westlicher Popkultur, vgl. dazu den entsprechenden Abschnitt Arbeit am Archiv: Die Semantik von Marken und Medien in Degler- Paukolat 2008: 34-42. - Interessant im Kontext westlicher Pop- und Konsumkultur scheinen auch die Abänderungen, die Sabine Stöhr in ihrer deutschen Übersetzung der Zwölf Ringe in der oben zitierten Passage gegenüber dem Originaltext vorgenommen hat. Findet sich bei Andruchovyc hier lediglich das Werbeplakat für "Sprite" als Index westlicher Konsumkultur, wird dieses von Stöhr (warum auch immer) durch ein Plakat für "Mars"-Riegel mitsamt dem dazugehörigen Werbeslogan "Mars macht mobil" ersetzt und die entsprechende Marke anders als im ukrainischen Text somit auch direkt erwähnt; zusätzlich wird das Graffiti "Anzela+Pomidor = LOVE" (Andruchovyc 2003: 36f.) durch "Angela + Spiderman = LOVE" (Andruchovyc 2006b: 30) ersetzt, so dass sich über die Comic- und Filmfigur Spiderman ein noch deutlicherer Konnex zur westlichen Popkultur ergibt.
9 Vasyl' Kostjuk interpretiert dieses Zitat aus den Zwölf Ringen wohl etwas ungenau, wenn er es direkt zu Andruchovyc selbst in dessen Funktion als Autor in Relation stellt, vgl.: "Posluhovujucys' slovamy Bohumila Hrabala, avtor [sic] vyslovljuje hotovnist' zyty tam, de sce zbe- rehlysja ci symvoly ,vysokoji kul'tury', napivzrujnovani vidbytky pryvablyvoji viziji , Jevropy, jaku my vtratyly'" (Kostjuk 2008: 86).
10 Vgl. zu dieser Fragestellung auch Woldan 2004 bzw. Simonek 2012.
11 Zur Frage der Positionierung von Zadans Texten im Kontext der Postmoderne in der ukrainischen Literatur vgl. Hundorova 2005: 159-176.
12 Auch Maxim Tarnawsky stützt sich in seiner Analyse von Zadans Depeche Mode auf genau diese beiden Abschnitte des Textes und bemerkt in Verbindung damit: "But in two important sce- nes of failed communication we discover that the West offers no hope" (Tarnawsky 2009: 269).
13 Vgl. aus mehreren Belegstellen in dieser Hinsicht etwa: "Svoji pytannja, a takoz dumky vy mozete vyslovyty za telefonom chrrrrr chrrrrrrr chrrrrrrrrrr - hovoryt' veducyj" (Zadan 2009: 153).
14 Die Geschichte der Band findet sich detailliert dokumentiert unter: <http://de.wikipedia. org/wiki/Depeche_Mode> (zuletzt eingesehen am 10.05.2013).
15 Zur Begrifflichkeit von "Remix" vgl. die Arbeiten von Lev Manovich, der dafür plädiert, Begriffe, die ursprünglich auf ein bestimmtes Medium beschränkt sind (wie eben "Remix" auf die Unterhaltungselektronik) auch auf andere Felder auszuweiten. Die in Manovich' Beitrag Wer ist der Autor? Sampling / Remixen / Open Source umrissene Definition der Remix-Technik als "syste- matische Umgestaltung einer Quelle" (Manovich 2005: 15f.) legt es jedenfalls nahe, den in Zadans Depeche Mode präsentierten Umgang mit Fakten aus der Geschichte der Band ebenfalls als Remix zu interpretieren.
16 In der deutschen Übersetzung des Romans sind dagegen beide Titel, also Speak and Spell wie auch I Feel You, im englischen Original wiedergegeben (Zadan 2008: 179, 182).
17 Maxim Tarnawsky bezeichnet diesen Abschnitt des Textes im Zeichen einer "Fehlüber- setzung" westlicher Elemente von Popkultur zwar durchaus stimmig als "missed connection", per- petuiert diese freilich in gewisser Hinsicht, indem er die fälschliche Zuschreibung der Gruppe "De- peche Mode" als "Irish [sic] rock band" aus dem Roman in seine eigene Darstellung übernimmt (Tarnawsky 2009: 269); auch Tarnawskys einige Zeilen später vorgenommene Charakterisierung der Radiosendung als "false, commercialized portrait of the rock performer" (270) scheint zwei- felhaft, fußt die per Radio vermittelte Darstellung der Band doch gerade nicht im westlichen kom- merzialisierten, sondern im sowjetischen pseudo-revolutionären Diskurs.
18 Vgl. zu Deres im Kontext slawischer Popkultur Kratochvil 2006.
19 Deres' Roman ist auch dem Andenken von Jim Morrison gewidmet, als einer von ins- gesamt drei dem Text vorangestellten Leitsprüchen fungiert weiters die (freilich ungenau zitierte) Zeile "Things are broken up and dance" aus The Ghost Song der "Doors" (Deres 2007: 4). - Eine analoge Verweistechnik findet sich nicht nur bei Zadan, der seinem Band Anarchy in the UKR eini- ge Zeilen aus Anarchy in the U.K. der "Sex Pistols" voranstellt (Zadan 2008a: 3), sondern auch in der deutschen Popliteratur der neunziger Jahre: Christian Kracht etwa griff in seinem auch kommerzi- ell sehr erfolgreichen Roman Faserland unter Anderem auf eine Songzeile der englischen Band "The Would-Be-Goods" als Motto zurück (Kracht 2011: 11).
20 "Budemo nosyty cehlu j buduvaty vysoki mury. [...] Pokolinnja bajduzych. Pokolinnja po- fihistiv. Ale to til'ky zovni. Useredyni muru my isnujemo, ba navit' zyvemo" (Deres 2007: 187f.).
21 Vgl. <http://de.wikipedia.org/wiki/The_Wall> (zuletzt eingesehen am 10.05.2013).
22 Vgl. das Postskriptum aus dem Brief am Beginn von Kapitel sieben des Romans: "P.S. Omal' ne zabulam! Nadsylaju mojij Dzvinci tas'my dlja filmopruzektora, fil'm odijoznoho mistera Stovna pro hurt ,The Doors' [...], a takoz pocinovuvanoho tutaj Aljana Parkera fil'm ,Pink Floyd. The Wall'" (Deres 2007: 130).
23 Vgl. dazu auch das Kapitel Die Wiedergeburt der Autorin aus dem Geiste der Popmusik - Dorota Maslowskas "Paw królowej" in Simonek 2013: 93-117.
24 In dieser Beziehung scheint sich insofern auch eine Differenz zur Prosa Zadans zu erge- ben, als der (mindestens in Anarchy in the ukr) titelgebende Punkrock sich mit den eigenen, kurz und prägnant gehaltenen Songs und der Dominanz der Single ganz bewusst von den ausladenden, bisweilen eine ganze LP-Seite einnehmenden Nummern sowie von der damit verbundenen Domi- nanz des Albums der älteren musikalischen Generation absetzen wollte. Eine geniale Improvisation auf dem Niveau von "King Crimson", wie sie Mis'kos Freund für die eigene Band der beiden vor- schwebt (Deres 2007: 28), wäre für die "Sex Pistols" wohl kaum in Frage gekommen.
25 Die offensichtliche ökonomische Randständigkeit von Midni Buky wird in der Anbetung der Eidechse implizit auch durch das weitgehende Fehlen westlicher Marken dargestellt, denn neben "Levi's" ist im Roman nur noch von "Wrangler"-Jeans sowie (unter möglicher Verknüpfung mit Jim Morrisons "Lizard King") vom Alligator als Logo des Modelabels "Lacoste" die Rede (Deres 2007: 76, 164, 171), wobei diesen westlichen Labels zusätzlich noch Seesäcke aus der Produktion des KGB an die Seite gestellt werden, die mögliche Anwandlungen von Freidenkerei und Freiheits- liebe unter den Wanderern ersticken sollen (54). Diese über Marken artikulierte Konstellation von ökonomischem Mangel und politischer Gängelung differiert signifikant zur teilweisen exzessiven Auflistung von teuren und prestigereichen Markenprodukten in Texten der neueren deutschen Popliteratur; der Beginn von Christian Krachts Faserland bietet in dieser Hinsicht ein immer wie- der zitiertes Extrem- und Paradebeispiel (Kracht 2011: 13).
26 Vgl. etwa aus der insgesamt negativen Rezension von Karsten Kruschel: "Es ist eher so, als sehe man jemandem bei dem Versuch zu, mit den bestens erprobten Mitteln eines Stabilbaukastens eine Seifenblase zu bauen" (Kruschel 2012); Jörg Plath wiederum meinte in der "Neuen Züricher Zeitung" sogar, dass Deres' Roman bei den meisten Lesern wohl eine Bruchlandung in der nächsten Ecke erleiden werde (Plath 2008).
Bibliographie
Andruchovyc 2003: Ju. Andruchovyc, Dvanadcjat' obruciv, Kyjiv 2003.
Andruchovyc 2005: Yu. Andrukhovych [= Ju. Andruchovyc], Epilogue: The Color of Free- dom and Oranges, Übersetzung von M.M. Naydan, in: N. Hayoz, A.N. Lushnycky (Hrsg.), Ukraine at a Crossroads, Bern 2005, pp. 253- 257.
Andruchovyc 2006a: Ju. Andruchowytsch [= Andruchovyc], Serhij Zhadans erster Ro- man, in: S. Zhadan [= Zadan], Geschichte der Kultur zu Anfang des Jahrhunderts. Gedichte, aus dem Ukrainischen von C. Dathe, Frank- furt am Main 2006, pp. 77-82.
Andruchovyc 2006b: Ju. Andruchowytsch [= Andruchovyc], Zwölf Ringe, Übersetzung von S. Stöhr, Frankfurt am Main 20064.
Andryczyk 2005: M. Andryczyk, Three Posts in the Center of Europe: Postmodern Cha- racteristics in Yuri Andrukhovych's Post-colonial Prose, in: N. Hayoz, A.N. Lushnycky (Hrsg.), Ukraine at a Crossroads, Bern 2005, pp. 233- 252.
Degler-Paulokat 2008: F. Degler, U. Paulokat, Neue Deutsche Popliteratur, Paderborn 2008.
Deres 2007: L. Deres, Pokloninnja jascirci. Jak nyscyty anheliv, Charkiv 2007.
Hundorova 2005: T. Hundorova, Pisljacornobyl's'ka biblioteka. Ukrajins'kyj literaturnyj postmodern, Kyjiv 2005.
Kostjuk 2008: V. Kostjuk, Melancholijna restavracija ujavnoho cuzyncja u "Dvna- nadcjaty obrucach" Ju. Andruchovyca, in: T. Hundorova (Hrsg.), Je- vropejs'ka melancholija. Dyskurs ukraijns'koho okcydentalizmu, Kyjiv 2008, pp. 75-86.
Kracht 2011: Ch. Kracht, Faserland, München 201111.
Kratochvil 2006: A. Kratochvil, Fastfood und Speed? Beobachtungen zur Popliteratur, "Ost-West-Gegeninformationen", xviii, 2006, 3, pp. 11-14.
Kruschel 2012: K. Kruschel, Ljubko Deresch: Intent! Oder Die Spiegel des Todes (Na- mir!), in: <http://litheart.de/2012/03/03/ljubko-deresch-intent-oder- die-spiegel-des-todes-namir/> (zuletzt eingesehen am 10.05.2013).
Lotman 2010: Ju.M. Lotman, Kultur und Explosion, aus dem Russischen von D. Trottenberg , hrsg. und mit einem Nachwort von S.K. Frank, C. Ruhe und A. Schmitz, Berlin 2010.
Lyotard 1999: J-F. Lyotard, Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, aus dem Französi- schen von O. Pfersmann, Wien 19994.
Manovich 2005: L. Manovich, Black Box - White Cube, aus dem Amerikanischen von R. Voullié, Berlin 2005.
Plath 2008: J. Plath, Hoch hinaus und tief gelandet. Ein neuer Roman von Ljub- ko Deresch, in:<http://www.lyrikwelt.de/rezensionen/intent-r.htm> (zuletzt eingesehen am 10.05.2013).
Prochas'ko et al. 2007: Ju. Prochasko [= Prochas'ko], T. Prochasko [= Prochas'ko], M. Blaszczuk, Galizien-Bukowina-Express. Eine Geschichte der Eisen- bahn am Rande Europas, aus dem Ukrainischen von Ju. Prochasko und M. Weissenböck, hrsg. von A. Pranzl, Wien 2007.
Simonek 2012: S. Simonek, Der Habsburger-Mythos als Moment einer regionalen Identität Galiziens? (Beispiele aus der zeitgenössischen ukrainisch-ga- lizischen Literatur), "Litteraria Humanitas", xvi, 2012, pp. 177-186.
Simonek 2013: S. Simonek, MC Dorota/Noize MC. Text-Bild-Ton-Relationen der slawischen Popkultur, Passau 2013.
Tarnawsky 2009: M. Tarnawsky, Images of Bonding and Social Decay in Contemporary Ukrainian Prose. Reading Serhii Zhadan and Anatolii Dnistrovy, in: L.M.L. Zaleska Onyshkevych, M.G. Rewakowicz (Hrsg.), Contem- porary Ukraine on the Cultural Map of Europe, Armonk-London 2009, pp. 264-274.
Woldan 2004: A. Woldan, Regionale Identität am Beispiel von Andrzej Stasiuk und Juri Andruchowytsch, in: R . Makarska, B. Kerski (Hrsg.), Die Ukrai- ne, Polen und Europa. Europäische Identität an der neuen EU-Ost- grenze, Osnabrück 2004, pp. 243-257.
Zadan 2008: S. Zhadan [= Zadan], Depeche Mode, aus dem Ukrainischen von Ju. Durkot und S. Stöhr, Frankfurt am Main 20082.
Zadan 2008a: S. Zadan, Anarchy in the ukr, Charkiv 2008.
Zadan 2009: S. Zadan, Depes Mod, Charkiv 2009.
Stefan Simonek è professore associato del Dipartimento di Studi Slavi dell'Università di Vienna. Attualmente i suoi principali interessi di ricerca sono la letteratura russa, ucraina e ceca dell'inizio del xx secolo (modernismo, avanguardia), e la cultura popolare in area slava in epoca contemporanea. è autore di monografie su Osip Mandel'stam (1992), Ivan Franko (1997, trad. ucrai- na 2013), e sulla cultura popolare in area slava (2013). è inoltre (co-)curatore di due antologie lette- rarie rispettivamente sulla Galizia al tempo degli Asburgo (2013) e sulla lingua e letteratura ucraina tra Oriente e Occidente (2000).
You have requested "on-the-fly" machine translation of selected content from our databases. This functionality is provided solely for your convenience and is in no way intended to replace human translation. Show full disclaimer
Neither ProQuest nor its licensors make any representations or warranties with respect to the translations. The translations are automatically generated "AS IS" and "AS AVAILABLE" and are not retained in our systems. PROQUEST AND ITS LICENSORS SPECIFICALLY DISCLAIM ANY AND ALL EXPRESS OR IMPLIED WARRANTIES, INCLUDING WITHOUT LIMITATION, ANY WARRANTIES FOR AVAILABILITY, ACCURACY, TIMELINESS, COMPLETENESS, NON-INFRINGMENT, MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE. Your use of the translations is subject to all use restrictions contained in your Electronic Products License Agreement and by using the translation functionality you agree to forgo any and all claims against ProQuest or its licensors for your use of the translation functionality and any output derived there from. Hide full disclaimer
Copyright Firenze University Press 2013
Abstract
The paper offers a close reading of three Ukrainian novels by Yuri Andrukhovych, Serhiy Zhadan, and Lyubko Deresh in order to demonstrate, how main elements of Western pop-culture are shifted into a different Central and East European context. As a result, it becomes clear that contemporary Ukrainian fiction uses these elements, but does by no way intend simply to imitate Western traditions of pop-culture; on the contrary, Western pop-culture in a radical way is re-shaped by the three Ukrainian writers in order to put into the foreground their own different artistic notions. In his novel Twelve Rings, Andrukhovych, for example, confronts Western consumerist culture, the former ussr, and Central Europe. Serhiy Zhadan in Depeche Mode again demonstrates the gap between Western pop-culture and the Eastern Ukraine by means of a radio-feature, which misinforms the Ukrainian listeners about the band "Depeche Mode" in an utmost strange way, and Lyubko Deresh in his novel Adoring the Lizard, finally, depicts the everyday live of younger people in Gali- cia, who primarily are interested in bands like "King Crimson" or "Jethro Tull" and, therefore, do not stick to the latest trends as proposed by Western pop-culture.
You have requested "on-the-fly" machine translation of selected content from our databases. This functionality is provided solely for your convenience and is in no way intended to replace human translation. Show full disclaimer
Neither ProQuest nor its licensors make any representations or warranties with respect to the translations. The translations are automatically generated "AS IS" and "AS AVAILABLE" and are not retained in our systems. PROQUEST AND ITS LICENSORS SPECIFICALLY DISCLAIM ANY AND ALL EXPRESS OR IMPLIED WARRANTIES, INCLUDING WITHOUT LIMITATION, ANY WARRANTIES FOR AVAILABILITY, ACCURACY, TIMELINESS, COMPLETENESS, NON-INFRINGMENT, MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE. Your use of the translations is subject to all use restrictions contained in your Electronic Products License Agreement and by using the translation functionality you agree to forgo any and all claims against ProQuest or its licensors for your use of the translation functionality and any output derived there from. Hide full disclaimer