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1. Einleitung
2. Implizite Formen der Evaluation in der indirekten Rede
2.1. Prosodische Verfahren zur Evaluation fremder Rede
2.2. Codeswitching
3. Formen deiktisch verschobener Redewiedergabe
3.1. Von syntaktisch untergeordneter zu syntaktisch autonomer Rede
3.2. Zur Expressivität in der indirekten Rede
4. Zusammenfassung und Überblick
1. Einleitung
Wie bereits Bachtin (1979, 225) in seinen metalinguistischen Analysen zum "Sprechenden Menschen im Alltag" ausführte, ist die "Wiedergabe und Erör- terung fremder Reden, des fremden Wortes (...) eines der am weitesten verbrei- teten und wesentlichsten Themen menschlicher Rede":
"Das Thema vom sprechenden Menschen ist im Alltag von großem Gewicht. Auf Schritt und Tritt ist im Altag von jemandem, der spricht und seinem Wort die Rede. Man kann geradezu sagen: im Altag wird am meisten über das gesprochen, was andere sagen, - man übermittelt, erinnert, erwägt, erörtert fremde Wörter, Meinungen, Behauptungen, Informationen, entrüstet sich über sie, erklärt sich mit ihnen einverstanden, bestreitet sie, beruft sich auf sie, usw." (Bachtin (1979, 225).
Doch wie übermitteln Sprecher/innen im Altag fremde Rede, welche syntakti- schen, prosodischen und interaktiv-sequentiellen Verfahren verwenden sie, um sich über die zitierte Rede zu entrüsten, sich damit einverstanden zu erklären, sie zu bestreiten oder sich auf sie zu berufen?
Die überwiegende Mehrzahl der Arbeiten zur Redewiedergabe basiert auf konstruierten, an der Schriftsprache orientierten Beispielsätzen oder aber auf literarischen Texten. Folglich verwundert es auch nicht, daß deren Kategorien und methodische Ansätze für Analysen von Redewiedergabe in der gesproche- nen Sprache nur bedingt brauchbar sind und daß ihre Forschungsergebnisse wesentliche Elemente der Redewiedergabe, wie sie in natürlichen Altagsinter- aktionen auftritt, ignorieren.2 Die vorliegende Analyse widmet sich Formen der Redewiedergabe in ihrem alltäglichen, kommunikativen Gebrauch und versteht sich somit als Beitrag zur Erforschung grammatischer Verfahren in der gesprochenen Sprache.
In der linguistischen Literatur wird traditionellerweise zwischen direkter Rede und indirekter Rede als wesentliche Formen der Redewiedergabe unter- schieden.3 Diese beiden Wiedergabeformen werden gelegentlich als getrennte Entitäten betrachtet4 und von einigen Vertreter/innen der Transformations- grammatik sogar auf verschiedene Tiefenstrukturen zurückgeführt (Banfield 1982). Als Unterscheidungskriterien gelten vor allem die deiktische Veranke- rung, die syntaktische Organisation (koordiniert vs. subordiniert), sowie Mög- lichkeiten des Ausdrucks expressiver Momente.
Direkte Rede zeichnet sich dadurch aus, daß sie deiktisch in der erzählten Welt (d. h. der Figurenwelt) verankert ist und somit auch expressiv-emotive Elemente der "Original"äußerung reproduzieren kann. Sie...